Portugal verlässt Rettungsschirm

Lissabon · Das Krisenland Portugal will ab Mitte Mai wieder finanziell auf eigenen Beinen stehen. Premierminister Pedro Passos Coelho lobt den eigenen Reformkurs, viele Portugiesen sind aber anderer Meinung.

Es ist endlich mal wieder eine halbwegs gute Nachricht für die zehn Millionen Portugiesen: Ihr Krisenland, das 2011 vor der Staatspleite stand und mit einem Notkredit von 78 Milliarden Euro gerettet werden musste, kann Mitte Mai den Euro-Schutzschirm verlassen. Und zwar mit einem "sauberen Ausstieg", also ohne Netz und doppelten Boden. Portugal fühlt sich stark genug, um ohne eine neue vorsorgliche Kreditlinie in die Zukunft zu fahren. Nach Irland und Spanien ist Portugal das dritte Land, das aus dem Rettungsprogramm aussteigt.

Der harte Sparkurs des konservativen portugiesischen Regierungschefs Pedro Passos Coelho, der den Bürgern schmerzhaften Verzicht abverlangte, hat sich also gelohnt. Portugal, das sich am Finanzmarkt wieder zu erträglichen Zinsen Geld leihen kann, scheint aus der Gefahrenzone zu sein - wenigstens vorerst. Und die EU kann sich pünktlich vor der Europawahl an die Brust klopfen, dass die Euro-Krisenpolitik doch gar nicht so schlecht funktioniert.

Das explodierte Etatdefizit, welches vor der Rettung mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) betrug, sank radikal: In diesem Jahr wird nur noch eine Neuverschuldung von vier Prozent angepeilt. Wenn alles wie geplant läuft, soll das Minus in 2015 wieder unter die Euro-Stabilitätsgrenze von drei Prozent fallen.

Ein Sanierungserfolg, von dem sich die anderen geretteten Euro-Krisenstaaten wie Griechenland, Irland oder Spanien eine dicke Scheibe abschneiden können. Denn sie sind in Sachen Haushaltsdisziplin noch sehr viel weiter vom Euro-Stabilitätspakt entfernt. Die portugiesische Regierung erwarb sich mit ihren erfolgreichen Reformen den Ruf, ein europäischer Musterschüler zu sein.

"Portugal wird sich wieder auf Augenhöhe seiner europäischen Partner befinden", sagte Passos Coelho, der seinen Bürgern die frohe Kunde in einer Fernsehansprache überbrachte. Und der auch erstmals nach Jahren der Flaute für 2014 ein Wirtschaftswachstum in Aussicht stellte. Das Land präsentiere sich nun, triumphierte der Premier, "mit erneuerter Hoffnung und ohne die Ängste und Ungewissheiten der letzten drei Jahre". Und die Wirtschaft werde in diesem Jahr um 1,2 Prozent, im kommenden Jahr um 1,5 Prozent wachsen, bestätigte gestern auch die EU-Kommission die Prognose Coelhos. Damit liegt Portugal etwa im EU-Durchschnitt.

Die Gläubiger-Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF), welche den Rettungskredit an einen einschneidenden Reformkurs geknüpft hatte, kann also mit dem Patienten Portugal zufrieden sein. Wolfgang Schäuble, Finanzminister des EU-Schwergewichts Deutschland, nannte den portugiesischen Reformweg "eindrucksvoll" und lobte: "Portugal hat die letzten drei Jahre gut genutzt."

Auch wenn viele Portugiesen, die den Gürtel immer enger schnallen und mehr Steuern sowie weniger Einkommen verdauen mussten, gegen die Sparkommissare mit dem Slogan protestierten: "Troika, schert euch zum Teufel!" Dieser Wunsch wird so schnell nicht in Erfüllung gehen, denn solange Portugal den Rettungskredit nicht zurückgezahlt hat, werden die "Herren in Schwarz", wie die Troika-Inspektoren im Land genannt werden, auch weiterhin auf Reformen drängen.

Diese sind wohl auch notwendig, denn Portugal hat bei aller offizieller Euphorie immer noch ein Riesenproblem: Und zwar die Gesamtverschuldung des Staates, die wegen der Zinslast der aufgelaufenen öffentlichen Kredite nach wie vor wächst. Dieser Schuldenberg summiert sich heute auf 130 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung. Was nicht nur in Portugal die Frage aufwirft, ob dies jemals ohne Schuldenschnitt unter Kontrolle gebracht werden kann.

Aber zunächst ist in Lissabon wie in Brüssel Optimismus angesagt. In der Hoffnung, die befürchtete Abfuhr der portugiesischen Wähler für den Reformkurs doch noch abzuwenden. In der Europawahl am 25. Mai wie in der portugiesischen Parlamentswahl im nächsten Jahr wird - nach aktueller Stimmungslage - eine böse Niederlage von Regierungschef Passos Coelho erwartet. Spätestens in 2015 könnte die Troika also ihren besten Sparverbündeten in Portugal verlieren.

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