„Zur Tatzeit gestört und gestresst“

Fort Meade · Vor einem Militärgericht in Fort Meade hat sich Wikileaks-Informant Bradley Manning erstmals für die Veröffentlichung geheimer Dokumente entschuldigt. Bis zum 23. August wird über das Strafmaß beraten.

Der Wikileaks-Informant Bradley Manning hat sich erstmals für die Weitergabe hunderttausender Geheimdokumente an die Enthüllungsplattform entschuldigt. Er bedaure, dass seine Taten Menschen verletzt und den Vereinigten Staaten geschadet hätten, sagte der Soldat am Mittwoch (Ortszeit) vor einem Militärgericht in Fort Meade. In der Anhörung zur Festsetzung des Strafmaßes attestierten Experten dem 25-Jährigen Persönlichkeitsstörungen und extremen Stress zum Tatzeitpunkt. Es war das erste Mal, dass Manning bekannte, dass sein Verhalten dem Staat geschadet habe. Der 25-Jährige zeigte sich in der Anhörung auch bereit, die Strafe zu akzeptieren. "Ich weiß, dass ich den Preis zahlen muss", sagte er.

Der Obergefreite war Ende Juli in 20 von 22 Anklagepunkten, darunter Spionage, Computerbetrug und Verstoß gegen Militärregeln, für schuldig befunden worden. Ihm drohen bis zu 90 Jahre Gefängnis. Die Beratungen über das Strafmaß sollen noch bis zum 23. August dauern.

Der Wikileaks-Gründer Julian Assange äußerte in einer Erklärung Zweifel an der Freiwilligkeit der Entschuldigung. "Die einzige Währung, welche dieses Militärgericht akzeptiert, ist Bradley Mannings Demütigung", erklärte Assange. "Mannings erzwungene Entscheidung, sich bei der US-Regierung zu entschuldigen in der Hoffnung, die Haftstrafe um ein Jahrzehnt oder mehr zu reduzieren, muss mit Mitgefühl und Verständnis betrachtet werden."

Manning hatte während seiner Stationierung im Irak zwischen November 2009 und Mai 2010 hunderttausende geheime Dokumente zu den Kriegen im Irak und Afghanistan sowie diplomatische Depeschen von Militärrechnern heruntergeladen und Wikileaks zugespielt. Während die US-Regierung Manning als verantwortungslosen Verräter darstellt, ist er für seine Unterstützer ein Held. Mehr als 100 000 Menschen unterzeichneten eine Petition, um ihn für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen.

In der Anhörung am Mittwoch sagten auf Einladung der Verteidigung mehrere Experten und Angehörige Mannings aus. Der Psychiater David Moulton sagte, Manning habe während seiner Stationierung im Irak unter "emotionalem Stress" gestanden, da er darüber nachgedacht habe, als Frau zu leben. Mit der Weitergabe der Dokumente sei Manning überzeugt gewesen, eine moralische Pflicht zu erfüllen. "Er dachte, die von ihm enthüllten Informationen würden die Welt verändern", sagte Moulton. Der Militärpsychologe Michael Worsley attestierte Manning eine Persönlichkeitsstörung und eine Störung der Geschlechteridentität. Für den homosexuellen Manning sei das Militär damals eine "feindliche" Umgebung gewesen. "Im Militär zu sein und ein Gender-Problem zu haben geht nicht gerade Hand in Hand", sagte Worsley.

Mannings Schwester Casey Major und eine Tante beschrieben die traumatische Kindheit des Angeklagten. Seine Eltern seien Alkoholiker gewesen, hätten ihn oft alleine gelassen. Bis zu seinem zwölften Lebensjahr hätten die Eltern dem Jungen noch Babynahrung zu essen gegeben. "Es ist erstaunlich, wie sehr er gereift ist. Ich hoffe nur, er kann sein, wer er ist, einfach glücklich", so seine Schwester.

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