Wohlleben bestreitet Waffen-Beschaffung

München · Der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben hat in seiner gestrigen Aussage vor dem Oberlandesgericht bestritten, dem NSU-Trio die Pistole besorgt zu haben, mit der neun Migranten erschossen wurden.

Nach Beate Zschäpe hat auch der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben im NSU-Prozess die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft bestritten. Er habe nicht die Pistole vom Typ Ceska besorgt, mit der neun Migranten erschossen wurden, sagte Wohlleben gestern vor dem Oberlandesgericht München . Erst nach dem Auffliegen des NSU habe er von den Taten von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos erfahren.

Wohlleben gilt als wichtigster Helfer des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), der laut Anklage aus den 2011 verstorbenen Mundlos und Böhnhardt sowie Zschäpe bestand. Er ist wegen Beihilfe zu den neun NSU-Morden an Migranten angeklagt und sitzt neben Zschäpe als einziger der fünf Angeklagten im NSU-Prozess auch nach vier Jahren noch in Untersuchungshaft. Der zentrale Vorwurf der Bundesanwaltschaft lautet, dass Wohlleben den mutmaßlichen NSU-Helfer Carsten S. im Jahr 1999 oder 2000 mit dem Beschaffen einer Pistole samt Munition für die zu dieser Zeit bereits im Untergrund lebenden Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe beauftragt haben soll. Dies bestritt der Angeklagte gestern vehement. Er sei nicht vermittelnd tätig geworden oder habe in irgendeiner Form Aufträge zum Beschaffen der Pistole erteilt, sagte Wohlleben. Auch habe er gar nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um solch eine Waffe zu kaufen. Er räumte zwar ein, dass Böhnhardt ihm gegenüber den Wunsch geäußert habe, dass er sich für ihn nach einer scharfen Pistole umsehen solle. Zur Begründung habe ihm Böhnhardt gesagt, bevor er ins Gefängnis gehe, bringe er sich lieber um. Er, Wohlleben, habe Böhnhardt aber gesagt, er kenne sich nicht mit Waffen aus. "Ich wollte keine Waffe besorgen." Er habe auch nicht Schuld am Suizid von Böhnhardt sein wollen.

Den beiden mitangeklagten mutmaßlichen NSU-Helfern Holger G. und Carsten S. warf Wohlleben vor, ihn mit ihren Geständnissen zu Prozessbeginn mit Lügen belastet zu haben. S. hatte eingeräumt, dem NSU-Trio die Mordwaffe übergeben zu haben. Er bestritt die Aussage des teilweise geständigen G., ihm eine Pistole übergeben zu haben. Er habe den Verdacht, G. wolle durch diese "Lüge" verschleiern, von wem er die Waffe tatsächlich erhalten habe. Nach seiner Einschätzung habe der später als V-Mann enttarnte Neonazi Tino Brandt das Geld für den Kauf der Pistole zur Verfügung gestellt.

Wie Zschäpe äußerte Wohlleben in knappen Worten Mitgefühl für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer. Der Nebenkläger-Anwalt Sebastian Scharmer erklärte, er halte Wohllebens Aussage für nicht plausibel. Dass dieser etwa jede Gewaltbereitschaft zurückgewiesen habe, sei plumpe rechte Propaganda und bereits durch zahlreiche Beweise widerlegt. Wohlleben sagte eine Woche nach der Erklärung von Zschäpe aus. Zuvor hatten die beiden über die gesamte Dauer des seit Mai 2013 laufenden Prozesses von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Nach der Wohlleben-Aussage verweigert unter den Angeklagten derweil nur noch der mutmaßliche NSU-Helfer André E. die Aussage.

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