Verfassungsschutz wird reformiert

Berlin · Im Fall NSU versagten die Sicherheitsbehörden kolossal, gerade der Verfassungsschutz. Nun soll eine Reform Besserung bringen: mehr Austausch, gesetzliche Regeln für V-Leute.

Als Lehre aus dem Ermittlungsdesaster im Fall der rechten Terrorzelle NSU wird die Arbeit der Verfassungsschützer in Bund und Ländern neu geordnet. Der Bundestag verabschiedete dazu gestern eine lange diskutierte Reform. Die Behörden werden zu einem intensiveren Informationsaustausch verpflichtet. Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll mehr Befugnisse bekommen und im Zweifel auch in den Ländern operativ eingreifen können. Für den Einsatz von V-Leuten werden im Gesetz erstmals Regeln und Grenzen festgelegt.

Die Reform ist eine Reaktion auf die Verfehlungen im Fall NSU. Die Sicherheitsbehörden und auch der Verfassungsschutz waren dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) jahrelang nicht auf die Spur gekommen. Der rechten Gruppe werden zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Morde zur Last gelegt, an neun Männern aus Zuwandererfamilien und einer Polizistin.

Die Verfassungsschutzämter in Bund und Ländern sollen sich nun mehr austauschen und ihre Erkenntnisse ausführlicher als bislang in eine gemeinsame Datenbank einspeisen. Das Bundesamt soll die Zusammenarbeit der Ämter koordinieren und die Erkenntnisse zentral auswerten.

Bei gewaltorientierten Bestrebungen in den Ländern soll das Bundesamt im Zweifel selbst in die Beobachtung einsteigen können. "Notfalls auch ohne Einvernehmen mit dem Land", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU ). Einige Länder fänden das nicht in Ordnung, die Regelung sei aber nötig. Bei gewaltorientierten Bestrebungen dürfe es keine blinden Flecken in Deutschland geben.

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sagte, der Beschluss bringe seiner Behörde die nötige Klarheit und Rechtssicherheit in Zeiten großer Herausforderungen.

Nach Ansicht von Linken und Grünen ist die Reform nicht die richtige Antwort auf das NSU-Desaster. Die Linke forderte, das "V-Leute-Unwesen" sofort komplett zu beenden und den Verfassungsschutz aufzulösen. Auch die Grünen rügten die V-Mann-Praxis. Der Fall NSU habe gezeigt, dass Informanten aus der rechten Szene mehr Schaden brächten als Nutzen.

Meinung:

Chance für einen Neuanfang

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

Was der Bundestag gestern verabschiedet hat, ist eine angemessene Reaktion auf die Pannenserie und das Unvermögen der Schlapphüte bei der Aufklärung der Mordserie durch den NSU. Nun müssen sich die Verfassungsschützer in Bund und Ländern besser abstimmen, bekommt das Bundesamt eine Schlüsselstellung. Dagegen kann niemand ernsthaft etwas haben. Sinn macht auch der geplante Datenverbund, denn bei den NSU-Ermittlungen wurden der Polizei Erkenntnisse seitens des Verfassungsschutzes vorenthalten. Überfällig, dass für die umstrittenen V-Leute erstmals ein gesetzlicher Rahmen geschaffen wurde. Mit der Reform bekommt der Verfassungsschutz die Chance für einen Neuanfang. Die Öffentlichkeit muss aufmerksam verfolgen, was er daraus macht.

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