Unfair, aber nicht politisch motiviert

Straßburg · Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Russland wegen des Vorgehens gegen den früheren Ölunternehmer Michail Chodorkowski verurteilt, sieht aber keine klaren Beweise für einen politischen Prozess gegen den Kreml-Kritiker. Das Straßburger Gericht bemängelte gestern unter anderem einen „unfairen“ Prozess gegen Chodorkowski und dessen ebenfalls verurteilten Geschäftspartner Platon Lebedew.

Die Straßburger Richter warfen Russland mehrere Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention vor. Zwar hätten die Vorwürfe gegen Chodorkowski und Lebedew auf einer "soliden Grundlage" gestanden. Der Prozess im Jahr 2005 sei aber "unfair" gewesen, weil die Vertraulichkeit des Verhältnisses zwischen Anwälten und Mandanten verletzt worden sei. Auch beim Sammeln und Auswerten von Beweisen habe es Unzulänglichkeiten gegeben. Die Unterbringung der beiden Verurteilten in Straflagern in Sibirien und im hohen Norden Russlands verurteilten die Straßburger Richter als Verstoß gegen das Recht auf Privat- und Familienleben, weil die Familien die Inhaftierten nicht hätten besuchen können.

Keinen Erfolg hatten Chodorkowski und Lebedew indes mit ihrem Versuch, ihre Verurteilung als Ergebnis eines politischen Prozesses brandmarken zu lassen. Das Straßburger Gericht sah dafür nicht genügend Beweise. Es gebe zwar "Anzeichen" dafür, dass das Vorgehen der russischen Justiz politisch motiviert gewesen sei. So hätten "einige Regierungsverantwortliche persönliche Gründe" gehabt, eine Strafverfolgung der beiden voranzutreiben. Für eine Verurteilung Russlands wären allerdings "sehr exakte" Beweise notwendig gewesen. Diese lägen allerdings nicht vor.

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