Zypern könnte zum Knackpunkt werden

Brüssel · Der zyprische Regierungschef Nikos Anastasiades knüpft seine Zustimmung zum EU-Türkei-Deal an Ankaras Entgegenkommen. Derweil zweifeln auch einige seiner Amtskollegen daran, dass die Türkei ihre Verpflichtungen einhält.

Nikos Anastasiades herrscht als Präsident gerade mal über eine halbe Insel: Zypern ist seit 1983 geteilt, lediglich der südliche Teil gehört der EU an, den nördlichen beansprucht die Türkei für sich. Dennoch könnte der zyprische Staatschef den Deal der EU mit Ankara beim Brüsseler Gipfeltreffen morgen und am Freitag zu Fall zu bringen. Gestern kündigte der Präsident bei einem Besuch von EU-Ratspräsident Donald Tusk an: "Zypern wird der Öffnung neuer Verhandlungskapitel nicht zustimmen, solange die Türkei ihre Verpflichtungen nicht erfüllt." Ein solches Veto würde reichen, um die Forderung des türkischen Premierministers Ahmet Davutoglu für zügigere Beitrittsverhandlungen zu Fall zu bringen. Die Insel-Regierung fordert spürbares Entgegenkommen.

Inzwischen zeichnet sich ab, wie die von den Europäern angestrebte Lösung aussehen könnte. Ab einem bestimmten Stichtag schließt Ankara seine Grenzen, die Flüchtlinge , die bis dahin auf den griechischen Inseln ankamen, werden nach Athen gebracht. Ab dann nimmt Ankara jeden Hilfesuchenden, der in Lesbos, Chiros oder auf einem anderen Eiland landet, zurück. Im Gegenzug darf ein syrischer Auswanderer per Flugzeug direkt in die EU reisen. Die Auswahl treffen Experten des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR). Parallel dazu soll die Lage in Idomeni entspannt werden - durch neue Unterkünfte und durch eine weitere Verteilung in Richtung EU-Mitgliedstaaten. Die Bundesregierung zeigte sich überzeugt, dass das bereits von allen Ländern bewilligte Kontingent von 160 000 nicht überschritten wird. Skepsis bleibt allerdings. Nicht nur Frankreichs Staatspräsident François Hollande , sondern auch zahlreiche weitere Amtskollegen betonten in den zurückliegenden Tagen, dass sich Ankara verpflichten müsse, die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen einzuhalten - dazu zählt nicht nur die humanitäre Aufnahme, sondern auch die Zusage, die Flüchtlinge nicht in Länder abzuschieben, in denen Gefahr für ihr Leben droht.

Der eigentliche Knackpunkt der Verhandlungen aber blieb bisher noch ungelöst: Die türkische Forderung nach Visa-Freiheit für Reisen in die EU löst Ängste aus. Pessimisten warnen bereits vor einer neuen Welle an Zuwanderern, wenn nach dem Wegfall der Einreise-Formalitäten ab Juni Hunderttausende Türken sich Richtung EU aufmachen könnten. Hinzu kommen die Befürchtungen der Innenpolitiker, die Kontrollen könnten am Ende zu lasch ausfallen und Terroristen in Europa einfallen.

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