Wahlsieger Zwei Sieger aus zwei verschiedenen Welten

Berlin · Die AfD will „Jagd“ auf Merkel machen. Die FDP ist offen für Gespräche mit Grünen und Union über eine Jamaika-Koalition.

Ruhig im Erfolg: Christian Lindner, Bundesvorsitzender und Spitzenkandidat der FDP, wird in Berlin nach Veröffentlichung der Hochrechnungen von einem jubelnden Publikum empfangen.

Ruhig im Erfolg: Christian Lindner, Bundesvorsitzender und Spitzenkandidat der FDP, wird in Berlin nach Veröffentlichung der Hochrechnungen von einem jubelnden Publikum empfangen.

Foto: dpa/Federico Gambarini

() AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland kann es gar nicht abwarten. Kurz vor 18 Uhr steht er auf der Bühne in der Diskothek „Traffic Club“ am Berliner Alexanderplatz und wartet auf die Bekanntgabe der ersten Prognosen der Bundestagswahl. Die Räume sind in blaues Licht getaucht, an der Wand hängen Poster mit Marilyn Monroe. Es ist brechend voll. Allein 1000 Journalisten haben sich angemeldet, nur 250 wurden wegen der engen Platzverhältnisse zugelassen. Als erster führender Politiker an diesem Abend gibt Gauland seine Stellungnahme ab, und sie klingt wie eine Kriegserklärung an die nächste Bundesregierung: „Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen. Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“ Riesen-Jubel unter den Anhängern.

Die AfD strotzt vor Selbstbewusstsein, Stolz und Angriffslust. Frauke Petry twittert: „Das Unmögliche ist wahr geworden.“ Und Parteichef Jörg Meuthen schlägt im Fernsehen einen Untersuchungsausschuss gegen Angela Merkel vor, weil sie 2015 nicht die Grenzen für Flüchtlinge schloss. Die AfD ist im Osten Deutschlands bei der Bundestagswahl am Sonntag zweitstärkste Partei geworden.

Der Erfolg der AfD wühlt aber auch die Gegner auf. Im Lauf des Abends treffen vor dem Veranstaltungslokal der Rechtspopulisten immer mehr Demonstranten ein; die Polizei hält sie mit einem massiven Aufgebot auf Abstand, es gibt erste Rangeleien. Die feiernden AfD-Anhänger filmen das Geschehen von der Terrasse herab.

Auch im Hans-Dietrich-Genscher-Haus der Liberalen ist es so voll wie noch nie. Viele haben Rollo-Flugblätter dabei, die das Konterfei von Christian Lindner enthüllen, dem neuen Popstar der Partei. Hier hatten viele vor vier Jahren den Tiefpunkt der Liberalen erlebt, das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. Die FDP kommt nach ihrer Niederlage 2013 eindrucksvoll zurück ins Parlament. Und hier feiern sie nun den Wiedereinzug in den Bundestag. Fast noch euphorischer als die AfD, die anderen Wahlsieger des Tages. Lindner kann kaum etwas sagen, er wird nach jedem Halbsatz von einem Jubelsturm unterbrochen. „Das kann ein langer Abend werden“, bemerkt er launig. „Die vergangene Wahlperiode war die erste in der Geschichte unserer Republik, in der es keine liberale Stimme im Parlament gab – es soll zugleich die Letzte gewesen sein“, kann man dann verstehen. Und: „Ab jetzt gibt es wieder eine Fraktion der Freiheit im Deutschen Bundestag.“ Mit wem diese Fraktion aber regieren wird, bleibt offen. Die FDP verweigere sich Gesprächen über eine Jamaika-Koalition mit Union und Grünen nicht, sagt Parteivize Wolfgang Kubicki. „Aber man kann uns in sie auch nicht hineinzwingen.“ Lindner drückt es ähnlich aus: „Nur weil sich die SPD in die Opposition flüchtet, lassen wir uns nicht in die Regierung drängen.“ Eine Jamaika-Koaltion aus Union, FDP und Grünen hat es auf Bundesebene noch nie gegeben. Und der Testlauf in Schleswig-Holstein seit diesem Sommer ist kurz, und schwer mit dem Bund zu vergleichen.

Die Spitzenkandidaten der Partei AfD Alexander Gauland (links) und Alice Weidel lassen sich gemeinsam mit dem Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen auf der Wahlparty ihrer Partei in Berlin feiern.

Die Spitzenkandidaten der Partei AfD Alexander Gauland (links) und Alice Weidel lassen sich gemeinsam mit dem Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen auf der Wahlparty ihrer Partei in Berlin feiern.

Foto: dpa/Jens Büttner

Die FDP begeht den Wahlabend in Berlin am gestrigen Abend gleich doppelt: In einem Restaurant ein paar Häuser weiter ist der Berliner Landesverband zusammengekommen. Aber aus einem ganz anderen Grund. Die FDP-Berlin hat sich für die Offenhaltung des Berliner Flughafens Tegel stark gemacht und einen Volksentscheid durchgesetzt, der parallel zur Bundestagswahl gestern in der Stadt ausgeführt wurde. Jetzt wartet sie auf das Ergebnis. Auch hier hat sich der Landesverband auf Partystimmung eingestellt.

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