Seenotrettung Zurück in die ungewisse Mittelmeer-Mission

Rom · Das Rettungsschiff „Aquarius“ wagt sich auch nach seiner Odyssee wieder Richtung Libyen. In Zeiten, die für Seenotretter immer härter werden.

 Die „Aquarius“ in Aktion: Im Mittelmeer vor Libyen rettet das Schiff in Seenot geratene Flüchtlinge aus Afrika. Ihre letzte Fahrt wurde zur Odyssee, weil Italien sie abwies. Jetzt will die Crew wieder in See stechen.

Die „Aquarius“ in Aktion: Im Mittelmeer vor Libyen rettet das Schiff in Seenot geratene Flüchtlinge aus Afrika. Ihre letzte Fahrt wurde zur Odyssee, weil Italien sie abwies. Jetzt will die Crew wieder in See stechen.

Foto: dpa/SOS Mediterranee

Dieses Mal muss es vor allem mehr Vorräte geben. Denn wer weiß, wie lange man auf dem Meer bleiben muss. Das Flüchtlingsrettungsschiff „Aquarius“ sticht wieder in See. Aber ob sie in internationalen Gewässern vor Libyen wieder Migranten aufnehmen und diese auch in einen europäischen Hafen bringen kann, ist so ungewiss wie nie zuvor. „Wir wissen nicht, was uns im Mittelmeer erwartet. Die Lage ist sehr unübersichtlich“, sagt die Sprecherin von SOS Méditerranée, Jana Ciernioch, gestern vor der für den Abend geplanten Abfahrt des Schiffs vom südfranzösischen Marseille aus. Der letzte Einsatz hat die Helfer tief verunsichert: Nach einer mehrtägigen Blockade auf dem Meer mit Hunderten geretteter Migranten endete dieser nicht wie immer in Italien, sondern im weit entfernten spanischen Valencia. Eine Odyssee für Retter und Gerettete.

Nun kommt noch eine Unbekannte mehr hinzu: Ende Juni richteten libysche Behörden eine eigene Such- und Rettungszone ein. Sie erstreckt sich nicht nur auf nationale Gewässer des Bürgerkriegslandes, sondern auch auf internationale Gewässer vor der libyschen Seegrenze. In der üblichen Einsatzzone der privaten Seenotretter hat den Hut nun eine Rettungsleitstelle in Tripolis auf. In einem Bürgerkriegsland. Die neue Rettungszone ist nur eine von vielen Entwicklungen, die die Situation der Retter im Mittelmeer in einem Jahr verändert haben. Alles begann mit der Beschlagnahme der „Iuventa“ der deutschen Organisation Jugend Rettet im August 2017, die noch immer auf Sizilien ankert. Es folgte ein neues Regelwerk für die Helfer, die sich von der damaligen Regierung in Rom kriminalisiert fühlten. Auf Malta läuft ein Prozess gegen den Kapitän der „Lifeline“ aus Dresden. Dort sitzen auch weitere Hilfsorganisationen fest. Die neue italienische Regierung verwehrt Rettungsschiffen die Einfahrt in ihre Häfen. Neben der „Aquarius“ ist nur noch die „Open Arms“ einer spanische Hilfsorganisation im Einsatz. Vor einem Jahr waren es noch mehr als ein Dutzend private Rettungsschiffe, die meisten aus Deutschland, die tausende Migranten von Booten retteten und nach Italien brachten.

Die Einrichtung der libyschen Zone sorge nun für noch mehr Verwirrung, sagt Flavio Di Giacomo von der Internationalen Organisation für Migration. Dass die Libyer im Fall einer Rettung zuständig seien, sei höchst widersprüchlich. Schiffe müssten ihren Anweisungen Folge leisten. „Aber alle sind sich einig, dass Libyen kein sicherer Hafen ist, auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und die Vereinten Nationen sagen das immer wieder“. Am Dienstag hatte der Fall eines italienischen Versorgungsschiffs für Aufsehen gesorgt, das mehr als 100 Migranten nach Libyen zurückbrachte – was die EU untersagt. Im zerrütteten Libyen ist Gewalt an der Tagesordnung. Wer dorthin zurück gebracht wird, kommt in Gefangenenlager. Dennoch deutet alles daraufhin, dass das Land eine zentrale Rolle bei der Seenotrettung übernehmen soll. Während die Zahl der Ankommenden drastisch abnimmt, nimmt Europa das Verschwinden der NGOs hin – zumal sie als Anziehungspunkt für Schlepper gesehen werden. Diese reagieren – und schicken die Migranten nun vermehrt nach Spanien.

Der Wille der „Aquarius“-Crew ist dennoch ungebrochen. „Wir sind eins von zwei Schiffen, auf die es jetzt ankommt“, sagt Ciernioch. Und eins ist sicher: „Wir werden die Menschen niemals nach Libyen zurückbringen.“

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