Zufriedener Parteichef, genervter Kronprinz

Kreuth. Früher duckten sich Freund und Feind, wenn die CSU zu ihrer Winterklausur in Wildbad Kreuth zusammentrat, heute muss der CSU-Vorsitzende immer wieder rechtfertigen, warum und wie lange er noch Parteichef ist

Kreuth. Früher duckten sich Freund und Feind, wenn die CSU zu ihrer Winterklausur in Wildbad Kreuth zusammentrat, heute muss der CSU-Vorsitzende immer wieder rechtfertigen, warum und wie lange er noch Parteichef ist. "Ich habe gesagt, dass ich mich pudelwohl finde und fühle und deshalb auch mit großer Freude weiterarbeiten kann", sagte Horst Seehofer in der Winteridylle des Tegernseer Hochtals. Dreimal Ja antwortete Seehofer auf die Frage, ob er Ende 2011 noch Parteichef sein werde. Es nutzte nichts: Wie schon beim vergangenen CSU-Parteitag hatten schon vor dem Treffen die Medien das Thema "KTG" hoch gezogen: Wann wird Seehofer Platz machen für Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg? Den publizistisch fremd bestimmten Kronprinzen nervte die dauernde Wiederholung so sehr, dass er sich verhaspelte: Die von einer aktuellen Umfrage der CSU prophezeiten 45 Prozent seien "definitiv eine Teamleistung und keine Personaldebatten". Irgendwann werde er einmal eine "fürchterliche Leistung" erbringen und dann werde es wieder umgekehrt sein. In souveräner Missachtung der Details der Emnid-Umfrage versuchten die CSU-Oberen, sich die Verdienste für das ordentliche Demoskopie-Ergebnis gegenseitig zuzuschustern. Mit der Beliebtheit von Guttenberg sei das nicht zu begründen, sagte Seehofer, fügte aber das Wörtchen "allein" hinzu. Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner hatte das etwas anders gesehen: Die CSU sei "dank Karl-Theodor zu Guttenberg" wieder wer, zitierte ihn die "Bild"-Zeitung: "Mit zu Guttenberg wäre 2013 sogar wieder die absolute Mehrheit möglich."

Die CSU-Bundestagsabgeordneten ließen allerdings nicht erkennen, dass sie ihrem Vorsitzenden Hans-Peter Friedrich die Gefolgschaft verweigern wollten, der nicht müde wurde, vor Personaldiskussionen zu warnen. Seehofer genieße in der Partei starken Rückhalt. Er habe bei allen entscheidenden Themen wie Zuwanderung, Integration und in der Wirtschafts- und Sozialpolitik den Nerv der Partei getroffen.

Den Nerv des Koalitionspartners FDP hatte Seehofer auf jeden Fall mit einem zum Klausurauftakt erschienenen Zeitungsinterview getroffen. Das Schicksal der schwarz-gelben Koalitionen, meinte der CSU-Chef, hänge derzeit allein von den Liberalen ab. Deren schlechte Umfragewerte hätten das Ansehen der Koalition insgesamt beschädigt. Ob die nachgeschobene Stützung von FDP-Chef Guido Westerwelle, den Seehofer als "ganz starke Figur des deutschen Liberalismus" pries, dem Gelobten eher nutzt als schadet, blieb offen.

Nicht offen ließ Seehofer seine Absichten für den nächsten CSU-Parteitag im Herbst, auf dem gewählt wird: Er werde wieder kandidieren. Notfalls sogar gegen Guttenberg: "Wenn alles so bleibt, werde ich wieder kandidieren. Ich habe es immer auch als ein Stück Selbstverständlichkeit in der Demokratie betrachtet, dass es auch möglich sein muss, dass es Auswahlen gibt."

Am Abend empfing die CSU die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann, als Gast der Tagung. Die Theologin ist vielen CSU-Politikern ein Dorn im Auge, weil sie in einer Predigt gesagt hatte: "Nichts ist gut in Afghanistan." Käßmann nahm ihre Kritik am Afghanistan-Einsatz nicht zurück. Sie sagte: "Ich denke, dass sich die Lage in Afghanistan nicht fundamental verbessert hat." "Ich habe gesagt, dass

ich mich pudelwohl fühle."

CSU-Chef Horst Seehofer in Kreuth

Meinung

Guttenberg ist das Zugpferd

Von SZ-Mitarbeiter

Ralf Müller

Nichts Neues aus Wildbad Kreuth: CSU-Chef Horst Seehofer beteuerte, dass er Parteivorsitzender zu bleiben gedenkt, Kronprinz Karl-Theodor zu Guttenberg ließ wissen, dass er nicht putschen will und Landesgruppenvorsitzender Hans-Peter Friedrich betonte mehrfach, dass er keine Personaldebatten will. Dabei bedarf es schon einer gewissen Dreistigkeit, den erfreulichen Teil einer Erhebung zu preisen und den anderen, der nicht so gut in den Kram passt, ignorieren zu wollen. Mit anderen Worten: Natürlich ist Guttenberg gegenwärtig das Zugpferd der CSU und ohne ihn würden ihr ein paar Prozente fehlen. Auf Dauer wird die CSU die Wählermeinung nicht ignorieren können, es sei denn, dem Kronprinzen unterläuft tatsächlich ein von ihm selbst erwarteter "fürchterlicher" Fehler und er rauscht in der Popularität nach unten. Falls aber alles gut geht, wird sich die Führungsfrage auf dem CSU-Parteitag im Herbst erneut und mit aller Macht stellen.

Hintergrund

Vom malerischen Wildbad Kreuth südlich des Tegernsees geht der Mythos des Aufbegehrens der CSU aus. Völlig überraschend kündigte am 19. November 1976 die CSU-Landesgruppe im Bundestag nach der dritten Bundestagswahlschlappe der Union auf ihrer Tagung in Wildbad Kreuth die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU auf. Die CSU wollte mit Parteichef Franz Josef Strauß an der Spitze eine eigenständige Fraktion auf Bundesebene. CDU-Chef Helmut Kohl drohte umgehend damit, dann auch die CDU in Bayern "einmarschieren" zu lassen. Drei Wochen später einigten sich Kohl und Strauß auf Fortsetzung der Fraktionsgemeinschaft. Seither hat die CSU jedoch das festgeschriebene Recht auf besondere Eigenständigkeit, aber nur für politische Aussagen, nicht für das Antreten bei Wahlen. dapd

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