100-Tage-Bilanz der Sozialdemokraten Zornig, zaudernd, zerstritten: Alles wie gehabt bei der SPD

Berlin · Die SPD hat gestern keine Bilanz der ersten 100 Tage Groko gezogen. Dabei hatte gerade sie sich viel vorgenommen. Man werde, hatten ihre Chefs der Basis versprochen, diesmal nicht sang- und klanglos untergehen; man werde vernehmbar sein und Akzente setzen.

Andrea Nahles und die SPD regieren mit, gehen wegen des Asylstreits aber völlig unter.

Andrea Nahles und die SPD regieren mit, gehen wegen des Asylstreits aber völlig unter.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles hatte bekundet, sie sei dafür die Garantin, weil sie nicht in die Regierung eintrete. Es ist anders gekommen, und damit haben sich die Befürchtungen der parteiinternen Kritiker bisher bestätigt. Die SPD dringt mit ihren Themen kaum durch. Und die Umfragewerte sind noch weiter gesunken. Phasenweise lag man nur noch knapp vor der AfD. Der Grund liegt nicht in mangelndem Fleiß. Die meisten SPD-Minister haben sich sehr schnell in ihre Aufgaben gekniet.

Die Partei leidet aktuell unter zwei Phänomenen. Das erste ist, dass das Kampfgetöse zwischen CSU und CDU alle Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit beansprucht; andere Themen spielen in der innenpolitischen Debatte praktisch keine Rolle. Man komme gar nicht dazu, die wirklich wichtigen Dinge im Koalitionsvertrag umzusetzen, klagte gestern SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. „Es ärgert mich, dass im Moment über nichts anderes gesprochen wird als über den internen Streit zwischen CDU und CSU“, sagte auch Justizministerin Katarina Barley. Am Montag versuchte Andrea Nahles, das Heft des Handelns wenigstens ein bisschen wieder in die Hand zu bekommen, indem sie die beiden streitenden C-Parteien darauf hinwies, dass es die SPD auch noch gibt und ein „Masterplan Migration“ auch mit ihr abgesprochen werden müsse. Nahles verlangte die Einberufung des Koalitionsausschusses, der kommenden Dienstag tagen soll. Es ist das erste Mal in dieser großen Koalition.

Zur Wahrheit gehört freilich, dass die SPD selbst kein klares Konzept zur Flüchtlingsfrage hat – und auch deshalb in der von der CSU und der AfD dominierten Debatte kaum wahrgenommen wird. Nahles’ vorsichtigen Versuche, einen etwas härteren Kurs einzuläuten, stießen auf massive Kritik vor allem der Parteilinken. Viele SPD-Innenpolitiker und -minister in den Ländern hingegen stehen auf Seiten der Chefin. Die Sache gehört zu jenen Konfliktthemen, die Nahles endlich innerparteilich klären will.

Ein anderes führte Ende Mai schon zu einer Grundsatzaussprache im Parteivorstand: die Russlandpolitik. Hier rieb sich Außenminister Heiko Maas mit seinen neuen, eher harten Tönen mit „Russlandverstehern“ vor allem aus den ostdeutschen Landesverbänden. Auch Olaf Scholz bekam Ärger, weil er stolz einen Haushalt mit einer schwarzen Null vorlegte, was einige als bloße Fortsetzung der Politik seines Vorgängers Wolfgang Schäuble (CDU) kritisierten. Beide Vorgänge zeugen von dem weiter schwelenden Misstrauen zwischen Teilen der Parteibasis, vor allem der Funktionäre, und der Führung in Berlin. Besserung ist nicht in Sicht.

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