Wo sich einst Geldsäcke bis unter die Decke stapelten

Cochem. Bis unter die Decke stapelte sich das Geld. Allein im Gitterverschlag Nr. zwei des Tresorraums lagen 840 Säcke mit Scheinen einer nie in Umlauf gegangenen D-Mark-Serie. Das zeigen heute noch Notizen an den leeren Boxen im Geheimbunker der Deutschen Bundesbank an der Mosel

Cochem. Bis unter die Decke stapelte sich das Geld. Allein im Gitterverschlag Nr. zwei des Tresorraums lagen 840 Säcke mit Scheinen einer nie in Umlauf gegangenen D-Mark-Serie. Das zeigen heute noch Notizen an den leeren Boxen im Geheimbunker der Deutschen Bundesbank an der Mosel. Die Tarnung der Anlage von 1962 war gewagt: Mitten in einem Wohngebiet in Cochem wurde die Ersatzwährung rund 25 Jahre lang für den Krisenfall versteckt. Unter einem Schulungs- und Erholungsheim der Bank lagerten 15 Milliarden D-Mark. Das bestätigte kürzlich die Frankfurter Zentralbank. Das Geld ist inzwischen weg, jetzt soll die Anlage erstmals der Öffentlichkeit gezeigt werden: Kalter Krieg zum Anfassen.

Etwa 30 Meter unter der Erde wirkt die verlassene Bunkeranlage fast gespenstisch: Hier flackert das Licht einer Leuchtstoffröhre in einem der scheinbar endlosen Gänge, dort tickt es in einem Telefon. Jedes noch so kleine Geräusch hallt durch den Bunker. Und gerade das Schließen der tonnenschweren Tresortür kann einen ohrenbetäubenden Lärm in dem leerstehenden Bauwerk mit einem rund 300 Meter langen Wegesystem verursachen. Am 16. und 17. Oktober will eine Gruppe von zehn Freizeit-Historikern erstmals Führungen durch die Anlage anbieten. Bis zu 1000 Besucher werden an den beiden Tagen erwartet.

Unter dem Eindruck von Mauerbau und Kuba-Krise bereitete sich die Bundesrepublik Anfang der 1960er Jahre "sehr intensiv und sehr strukturiert" auf einen Dritten Weltkrieg vor, erklärt Jörg Diester, der diese und ähnliche Anlagen wie den Regierungsbunker bei Bad Neuenahr-Ahrweiler jahrelang in seiner Freizeit erforscht hat. "Es gab eine echte Angst, dass es wieder losgeht." Zu den Vorkehrungen gehörte auch das Vorhalten einer sogenannten Notstandswährung. Sie sollte bei einer Hyperinflation im Krisenfall als neues Zahlungsmittel für stabile Verhältnisse im Staat sorgen.

In Cochem kaufte die Bundesbank deshalb das an einem Berg gelegene Anwesen eines Arztes sowie angrenzende Grundstücke mit insgesamt 9000 Quadratmetern Fläche. Zwei Jahre lang dauerten danach die Arbeiten zum Bau eines unterirdischen Luftschutzbunkers, wie es offiziell hieß. Noch lange nach der Fertigstellung kamen jedoch Lieferungen für die Anlage, das blieb den Nachbarn nicht verborgen.

"Man hat natürlich spekuliert, ist ja klar", sagt Peter Peifer, der damals in der Nähe aufwuchs und heute die Liegenschaft betreut. Einige hätten gar vermutet, dass in dem Bunker Gold eingelagert wurde - quasi als "Fort Knox" der Bundesrepublik. Tatsächlich wurden aber noch bis 1969 Geldscheine der sogenannten BBk-Serie II angeliefert, die den gültigen D-Mark-Noten übrigens stark ähnelten.

Doch nicht nur der wahre Zweck der Anlage, sondern auch ihre Größe und Ausstattung blieben der Öffentlichkeit verborgen. Spätestens bei einer Führung für die Nachbarschaft des Bundesbankbunkers vor wenigen Tagen sei das klar geworden, sagt der 41-jährige Diester.

Im Falle eines Atomkriegs hätten 175 Menschen bis zu 14 Tage in dem Bunker überleben können. Diester schätzt, dass rund 3000 Kubikmeter Beton in der Anlage verbaut wurden. Neben einer eigenen Stromversorgung gab es auch einen riesigen Trinkwassertank. Eine Luftfilteranlage sowie Schleusen und Dekontaminationsräume sollten zudem die Gefahr der radioaktiven Verstrahlung eindämmen.

Hochempfindliche Sensoren für die Messung von Erschütterungen sollten im Alltag auch ohne Wachleute die Sicherheit des Tresors garantieren. Da konnte der Alarm bereits losgehen, wenn ein schwerer Güterzug auf der anderen Moselseite durch einen Tunnel fuhr, berichtet Diester. Doch selbst die anrückende Polizei erfuhr nie, was sich in dem Bunker verbarg. Nur das Heimpersonal war eingeweiht und zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Der Schlüssel für die rund acht Tonnen schwere Tresortür lag aber bei der Bundesbank in Frankfurt, der Heimleiter konnte nur über eine Lautsprecheranlage Geräusche aus dem Innern des Raums abhören. In unregelmäßigen Abständen kamen zudem Kontrolleure der Bundesbank.

Noch vor der Wende wurde das gesamte Geld 1988 abtransportiert und vernichtet. Das Schulungsheim wurde bis 1994 betrieben, danach verkauft. Heute steht alles leer. "Es gibt die Idee, das Thema zum Bestandteil von touristischen und pädagogischen Konzepten zu machen", sagt Diester und denkt an ein Museum. Er will den Kalten Krieg dort dauerhaft erlebbar machen.

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