„Wir warten jetzt das Referendum ab“

Berlin · Wegen des Griechenland-Dramas hat Bundestagspräsident Lammert die Abgeordneten auf eine Sondersitzung des Parlaments eingestimmt. Derweil steigt die Spannung vor dem griechischen Referendum am Sonntag.

Das politische Berlin hatte gestern seinen letzten regulären Arbeitstag vor der Sommerpause. Wegen des Referendums in Griechenland am Sonntag stellt man sich aber schon mal auf Sondersitzungen ein. Ruhe bewahren, lautet das Credo von Angela Merkel. "Wir warten jetzt das Referendum ab", meinte die Kanzlerin schon am Mittwoch im Bundestag. Regierungssprecher Steffen Seibert wiederholte diese Maxime am Freitag noch einmal fast wortgleich vor Journalisten. Doch egal, wie das Referendum ausgeht - massive Hilfen für die Hellenen werden auch in Zukunft notwendig sein. Der CDU-Rebell Wolfgang Bosbach sieht durch die Abstimmung daher auch "kein Problem gelöst". Man könnte auch sagen, spätestens am Montag fangen die Probleme erst richtig an.

Bei einem "Ja" der Griechen zu weiteren Sparauflagen aus Brüssel müsste die Tsipras-Regierung wohl abdanken. Ein neues Hilfspaket für Athen wäre aus Merkels Sicht dann eher noch vermittelbar. Sagen die Griechen jedoch "Nein", dann ist das natürlich ein Misstrauensvotum gegen die Eurozone. Und dies wiederum würde die politische Durchsetzbarkeit weiterer Unterstützungsmaßnahmen fast unmöglich machen.

Er könne sich nicht vorstellen, dass die europäischen Institutionen dann zu einem weiteren Hilfspaket bereits seien, meinte Bosbach gegenüber unserer Zeitung. In diesem Fall werde man über "humanitäre Hilfen" für Griechenland sprechen müssen. Bei einer Mehrheit für die Vorgaben der Euro-Gruppe sei indes abzuwarten, wie es nach einem Rücktritt von Tsipras weiter gehe. Die aktuelle Misere der Griechen, genauer, die schiere Aussichtslosigkeit auf Besserung, beflügelt den Widerstand gegen die Rettungspolitik. Vor wenigen Monaten bei der Abstimmung über eine nochmalige Verlängerung des zweiten Hilfspakets für die Hellenen wurden bereits 29 Abweichler aus den Reihen von CDU und CSU registriert. "Der Frustrationsgrad nimmt zu", sagte Carsten Linnemann, Chef der Mittelstandsvereinigung der Union, unserer Zeitung. "Ich halte es für unvorstellbar, dass meine Kollegen weiteren Hilfen zustimmen werden, wenn sie dafür nur wie bislang Reformzusagen bekommen, anstatt dass in Griechenland endlich handfeste Reformen durchgeführt werden".

Ohnehin steht man jetzt vor einer völlig neuen Situation. Weil Athen die Verhandlungen abgebrochen hatte, funktionieren neue Hilfen nur noch nach den Spielregeln des Rettungsfonds ESM. Und die sehen auch eine stärkere parlamentarische Beteiligung als beim früheren Rettungsmechanismus EFSF vor. Es handelt sich um ein mehrstufiges Verfahren, bei dem der Bundestag zweimal abstimmen muss, bevor weiteres Geld nach Athen fließen könnte.

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