Juso-Bundeskongress in Saarbrücken „Wir sind das Bollwerk gegen die Groko“

Saarbrücken · Der Juso-Bundeskongress in Saarbrücken findet in turbulenten Zeiten statt. Und das Signal der Jungsozialisten ist brisant.

 Hört die Signale: Das Motto des Bundeskongresses der Jusos im Saarbrücker E-Werk galt sicher auch den Spitzenpolitikern der Bundespartei.

Hört die Signale: Das Motto des Bundeskongresses der Jusos im Saarbrücker E-Werk galt sicher auch den Spitzenpolitikern der Bundespartei.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Lange haben sie auf ihn gewartet. Um kurz nach halb neun trifft er endlich ein. Tosender Applaus im Saarbrücker E-Werk. Applaus für einen Parteivorsitzenden, der sich in den ersten Minuten gleich mehrmals verspricht. Kaum verwunderlich. Der Auftritt vor den 297 Jungsozialisten gehört nicht zu den einfachsten seiner politischen Karriere. Nach den geplatzten Jamaika-Sondierungen am Sonntagabend steht der Parteichef mehr denn je unter Druck.

Dennoch: Er schaltet schnell in den Kampfmodus, hält ein flammendes Plädoyer für ein faires Asylsystem, für mehr Solidarität in Europa. „Völker, hört die Signale!“ Das Motto des Bundeskongresses macht sich Schulz zu eigen. Spricht über die Gefahr von Rechts, darüber, dass Demokratie nicht wie der „Strom aus der Steckdose“ komme. Um dann den entscheidenden Satz zu sagen: „Ich strebe keine große Koalition an.“ Schallender Beifall. Darauf folgen kritische Töne: „Ich habe dieses Wahlergebnis zu verantworten.“ Ein Wahlergebnis, das jetzt über die politische Zukunft seiner Partei entscheiden könnte. Wie diese auf keinen Fall aussehen sollte, darin ist sich der Nachwuchs einig: Bloß keine große Koalition!

Das bekräftigt auch Johanna Uekermann in ihrer letzten Rede als Juso-Bundesvorsitzende: „Die Groko wäre der Todesstoß für das letzte Fünkchen Glaubwürdigkeit, das wir als SPD haben.“ Uekermanns Nachfolger, den die Jungsozialisten am Abend mit knapp 76 Prozent der Stimmen zu ihrem neuen Vorsitzenden wählen, setzt noch einen drauf: „Wir sind das Bollwerk gegen die große Koalition.“ Der 28-jährige Kevin Kühnert beschwört die Werte der Sozialdemokratie, verteufelt die Lage von Geringverdienern und die niedrige Erbschaftssteuer in einem Atemzug. Genau wie seine Vorgängerin Uekermann spricht Kühnert den Kongress-Teilnehmern aus der Seele.

Die 20 Delegationen, das zeigt der einhellige Applaus, pflichten ihrem neuen Vorsitzenden bei. Ganz gleich, ob sie aus Berlin, Hessen, Bayern oder aus dem Gastgeberland Saarland kommen. „Wir erwarten von Schulz eine klare Absage an die Groko“, sagt Jari Pellmann von der Delegation Nord-Hessen. Die erhalten die Jusos an diesem Freitagabend nicht. Aber sie erleben einen Parteivorsitzenden, der Unwillen demonstriert, sich von den gescheiterten Sondierern vorführen zu lassen. „Die Krise, die dieses Land jetzt hat, haben Frau Merkel und Herr Lindner verursacht“, poltert Schulz. Es könne nicht sein, dass „Konservative den Karren gegen die Wand fahren und nachher erwarten, dass die Sozis die Scherben aufkehren“.

Erneut Applaus. Auch wenn Schulz die künftige Rolle seiner Partei offen lässt. Die vom Nachwuchs geforderte Standhaftigkeit in der Groko-Frage konkurriert mit dem, was Schulz kurz nach seinem Treffen am Donnerstag mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen „dramatischen Appell“ nennt. Ein Appell an die politische Verantwortung der SPD. Bis in die Nacht hinein habe Schulz mit der Parteiführung zusammengesessen. „Dem werden wir uns nicht verweigern“, erklärt er.

Inzwischen wissen er und seine Leute: Es war unglücklich, am Montag hektisch den Groko-Ausschluss vom Wahlabend zu untermauern und den Eindruck zu erwecken, die 20-Prozent-SPD wolle sich in das riskante Abenteuer Neuwahl stürzen. Nur noch eine Frage der Zeit also, bis die SPD einknickt? Diesen Eindruck will Schulz am Freitagabend in Saarbrücken vermeiden.   Dem linken Parteiflügel ist die Vorstellung ein Graus.

„Schulz soll standhaft bleiben“, sagt Marcel Kuckuk von den Jusos aus Nordrhein Westfalen. Spät am Abend schallt „Nein heißt Nein!“ durch den Saal. Die Sorge vor einem Umschwenken ist groß.

Nur wenige Stunden vor seinem Auftritt kündigt Schulz an, die Parteibasis über eine mögliche SPD-Beteiligung an einer Regierung abstimmen zu lassen. Die Jusos fürchten eine Groko durch die Hintertür.

Der neue Jusos-Chef Kühnert scheint wenig kompromissbereit. Er spricht von „schnulzigen Phrasen und billigen Ablenkungsmanövern“, nennt FDP-Chef Christian Lindner einen „selbstsüchtigen Poster-Boy“, um polternd hinterherzuschieben: „Wir brauchen keine Nachhilfe im Verantwortungübernehmen!“

Die jungen Genossen wollen nicht, dass die Partei „umfällt“. Sie fordern in Saarbrücken: Mehr Mut und klare Kante gegen eine neue schwarz-rote Koalition.

Die jungen Genossen wollen nicht, dass die Partei „umfällt“. Sie fordern in Saarbrücken: Mehr Mut und klare Kante gegen eine neue schwarz-rote Koalition.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Doch genau die erteilt in diesen Tagen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er bestimmt den Takt in Zeiten politischer Dissonanz. Nur wenige Tage nach dem Platzen der Jamaika-Sondierungen spricht das Staatsoberhaupt mit den Parteichefs. Und seit Freitag steht ein weiterer Termin im Kalender: Kommenden Donnerstag will sich Steinmeier erneut mit Schulz treffen – diesmal gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer. „Ich kann dem Bundespräsidenten keinen Gesprächswunsch abschlagen“, sagt Schulz am Freitagabend. Es sieht ganz danach aus, als könne der Albtraum der Jusos doch noch zur politischen Option werden.

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