„Wir können die Ernährung für alle sichern“

2006 erhielt der Wirtschaftswissenschaftler Muhammad Yunus den Friedensnobelpreis für seine Idee, mit Mikrokrediten Menschen den Weg aus der Armut zu ebnen. In dieser Woche war der 76-Jährige aus Bangladesch Gast beim „Future Food Forum“ zur Zukunft der Welternährung in Berlin. Er glaube daran, dass der weltweite Hunger beseitigt werden kann, sagte Yunus im Gespräch mit SZ-Korrespondent Hagen Strauß

Herr Yunus, die Armut in der Welt wächst, der Reichtum auch. Wie kann die Schere einigermaßen geschlossen werden?

Yunus: Wir haben große Fortschritte erreicht bei der Armutsbekämpfung in den vergangenen Jahrzehnten. Zugleich ist aber auch die Vermögenskonzentration gestiegen. Das ist eine Folge der existierenden Wirtschaftsordnung. Um das zu ändern, habe ich das Konzept des "Social Business" entwickelt - das sind Unternehmen zur sozialen Problemlösung statt zur persönlichen Profitmaximierung. Mit der Organisation "Yunus Social Business" aus Deutschland unterstützen wir Unternehmer weltweit bei der Gründung. Ich glaube, alle Menschen sind geborene Unternehmer. Wir sind Stellenschaffende, keine Stellensuchende.

Fußt auf dieser Haltung auch Ihre Idee der Mikrokredite, für die Sie unter anderem 2006 den Friedensnobelpreis erhalten haben?

Yunus: Ja. Wenn die Welt armen Menschen helfen möchte, werden oft nur Wohltätigkeiten angeboten. Wer aber die Menschen wirklich aus der Armut herausbringen will, muss ihnen finanzielle Mittel geben, um die eigenen Fähigkeiten zu nutzen. Das ist mein Ansatz.

Kritiker sagen, die Armut wird dadurch nicht wesentlich reduziert. Was entgegnen Sie?

Yunus: Ich kenne die Kritik. Mikrokredite sind in erster Linie dafür da, armen Menschen zu helfen und nicht, um Profit zu machen. Es gibt Organisationen, die sich von dieser Idee entfernt haben.

Eines der größten Probleme ist der weltweite Hunger. Warum kommt man dagegen nur schleppend voran?

Yunus: Heute gibt es zwar sehr viel weniger Menschen, die Hunger leiden als 1990. Aber das Problem existiert weiterhin. Wir haben genügend Ressourcen, Technologien und Wissen, um die Ernährung aller Menschen zu sichern. Ich kann nur appellieren, dass wir diese Möglichkeiten endlich auch unternehmerisch nutzen, um das Problem nachhaltig zu lösen. Das ist möglich, wenn man es will. Die Wirtschaft spielt hier eine tragende Rolle.

Wird der Hunger die Flüchtlingskrise verschärfen?

Yunus: Ja. Wenn Menschen hungrig und unternährt sind, werden sie verzweifelt und sie werden gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Migration hat natürlich auch noch viele andere Gründe. Die Armut , die wirtschaftliche Schwäche, kriegerische Auseinandersetzungen, der Klimawandel oder Menschrechtsverletzungen, das alles macht Menschen zu Flüchtlingen.

Was erwarten Sie in der Flüchtlingsfrage von Europa?

Yunus: Flüchtlinge dürfen nicht nur als Ballast gesehen werden. Unter ihnen sind Fachkräfte, kreative Menschen und welche mit viel Erfahrung. Es ist nicht gut für sie, isoliert zu sein und auf Hilfe zu warten. Europa und seine Bürger müssen den Flüchtlingen eine Chance geben, ihre vielfältigen Talente einzusetzen. Das wird dann auch den europäischen Gesellschaften nutzen. Da bin ich mir sehr sicher.

Zum Thema:

Hintergrund Papst Franziskus hat die Welt zu einem entschlossenen Vorgehen gegen den Klimawandel aufgefordert. Nur so könne der Planet erhalten werden, schrieb er in einer Botschaft zum Welternährungstag am Sonntag. Der Kampf gegen den Hunger sei angesichts des "komplexen Phänomens des Klimawandels" noch schwerer zu gewinnen. Der Welternährungstag steht in diesem Jahr unter dem Motto "Climate is changing. Food and agriculture must too" (Das Klima verändert sich. Ernährung und Landwirtschaft müssen sich ebenso ändern). Mitgefühl gegenüber Hungernden zu zeigen, reiche nicht aus, schreibt der Papst. Alle müssten ihr Verhalten ändern - Politiker, Bauern, Fischer "sowie jeder Bürger". Weltweit sind rund 800 Millionen Menschen unterernährt. kna

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