Will Mama wirklich sterben?

Karlsruhe · In einer Patientenverfügung können Menschen regeln, wie lange die Ärzte sie bei schwerer Krankheit oder nach einem Unfall am Leben halten sollen. Aber die Gewissheit über das eigene Schicksal kann trügerisch sein.

 Eine Patientenverfügung kann auch die Betreuung in der Pflege regeln. Foto: dpa

Eine Patientenverfügung kann auch die Betreuung in der Pflege regeln. Foto: dpa

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Für viele Menschen dürfte die Vorstellung schwer erträglich sein, einmal selbst in so eine Situation zu kommen: Eine Frau setzt sich mit Krankheit und Sterben auseinander. Mit mehreren Patientenverfügungen und Vollmachten trifft sie Vorsorge für den Fall, dass sie nicht mehr selbst entscheiden kann, was mit ihr geschieht. Aber als sie nach einem Hirnschlag im Heim liegt und nicht mehr sprechen kann, ist das alles nichts wert. Die Formulierungen sind zu unklar. Im Streit, ob die Mutter nun sterben will oder nicht, zerbricht die Familie. Die Töchter bekämpfen sich vor Gericht. Gestern nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) in dem Fall zumindest einige Fragen geklärt (Az. XII ZB 61/16). Für Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz ist die Entscheidung ein "Weckruf": "Millionen Menschen müssen dringend überprüfen, ob ihre Patientenverfügungen womöglich vor Allgemeinplätzen nur so wimmeln."

Was ist eine Patientenverfügung?

Seit 2009 sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, im Vorhinein schriftlich festzulegen, ob und wie man in bestimmten Situationen vom Arzt behandelt werden möchte. Um die Auslegung zu erleichtern, können in der Patientenverfügung auch persönliche Hinweise stehen, zum Beispiel zu den eigenen Wertvorstellungen oder zu religiösen Fragen. Der Arzt ist daran gebunden. Wer möchte, kann die Durchsetzung einer Person übertragen, der er vertraut. Das alles ist freiwillig.

Wann gibt es Probleme?

Immer dann, wenn die Patientenverfügung im Ernstfall keine eindeutigen Antworten gibt. Die Stiftung warnt beispielsweise vor Formulierungen wie "Wenn keine Aussicht mehr auf ein sinnvolles Leben besteht ...", "... will ich nicht an Schläuchen hängen" oder "... soll man mich in Ruhe sterben lassen". In dem Fall, der dem BGH vorlag, hatte die Frau etwa hinterlassen, dass bei einem schweren Gehirnschaden durch Krankheit oder Unfall "lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben" sollen. Die Töchter streiten darum, ob das bedeutet, dass die Ernährung über eine Magensonde einzustellen ist.

Was passiert in solchen Fällen?

Dem BGH ist die Formulierung "lebensverlängernde Maßnahmen" nicht konkret genug. Nach Auffassung der Richter lässt sich daraus weder eine bestimmte Behandlung ableiten noch der Wunsch zu sterben. In solchen Situationen wird herauszufinden versucht, was der Patient wohl "mutmaßlich" gewollt hätte.

Wie sollte man vorgehen?

Brysch empfiehlt, in jedem Fall mit dem Hausarzt zu sprechen und professionelle Hilfe zu suchen, wie sie zum Beispiel auch die Verbraucherverbände anbieten.

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