Neues Helmholtz-Zentrum in Saarbrücken Wie Saarländer die digitale Welt sichern

Saarbrücken · Mit dem neuen Helmholtz-Zentrum soll die IT-Entwicklung Fahrt aufnehmen. Leiter Michael Backes will Geschichte schreiben.

 Noch allein, bald wohl zu dritt: Der bisherige Cispa-Bau auf dem Uni-Campus soll eines von später einmal drei Gebäuden des Helmholtz-Zentrums sein.

Noch allein, bald wohl zu dritt: Der bisherige Cispa-Bau auf dem Uni-Campus soll eines von später einmal drei Gebäuden des Helmholtz-Zentrums sein.

Foto: Christoph Sorge/Cispa/Christoph Sorge

Eine Studentin macht gerade ein Selfie vor einem weißen, modernen kubischen Bau in Saarbrücken. Es ist das letzte Gebäude auf dem weitläufigen Gelände der Universität des Saarlandes. Cispa steht auf den blauen und weißen Fahnen. Hinter der jungen Frau dröhnen Autos auf der Schnellstraße Richtung Autobahn. Die Frau geht weiter zum Campus-Zentrum, vorbei an einem alten Häuserkomplex, Stuhlsatzenhaus genannt. Eine verwitterte Gaststätte mit Wohnhaus.

Drinnen, im gläsernen Büro, im vierten Stock des Cispa, beugt sich wenige Minuten später, ein gut 1,90 Meter großer Mann mit schwarzen Augen und silbergrauem Anzug in seinem Stuhl nach vorn. Näher an sein Gegenüber heran. Er hebt seinen Zeigefinger. Das, was er jetzt sagen will, soll wirken. „Wir wollen der größte Leuchtturm der Cyber-Sicherheit werden. Weltweit. Alles andere wäre versagt.“ Dann lehnt er sich wieder zurück. Lächelt. Entspannt.

Ohne Frage: Michael Backes, wie der Mann im Anzug heißt, ist selbstbewusst. Er verkörpert das „Think big“, das Motto erfolgreicher US-Unternehmer, wie kaum ein anderer auf dem Saarbrücker Campus. Das treibt den Informatik-Professor an – und 2011 an die Spitze des damals gegründeten Cispa, das „Center for IT-Security, Privacy and Accountability“ (auf Deutsch meist knapp mit „Zentrum für IT-Sicherheit“ übersetzt). Daraus formte er eines der großen Cybersicherheitsforschungszentren Deutschlands. Dafür bekam Backes weltweite PR. Die Eliteschule MIT zählte ihn zu einem der 35 einflussreichsten Forschern unter 35.

Insgesamt spielen die Saarbrücker Informatiker mit dem Cipsa, den Max-Planck-Zentren, Schloss Dagstuhl, dem DFKI in der Champions League – und Backes, ein gebürtiger Gresaubacher, ist ihr Top-Stürmer, ihr Lionel Messi.

„Wir bohren hier die dicken Bretter“, meint Backes dazu. Davon ist auch die Helmholtz-Gesellschaft überzeugt. Die größte deutsche Forschergemeinschaft mit einem Budget von mehr als vier Milliarden Euro hat dem Saarbrücker im vergangenen Jahr den Auftrag erteilt, aus dem Cispa das 19. Helmholtz-Zentrum Deutschlands zu formen. Ab heute gilt es offiziell als „Zentrum in Gründung“. Spätestens Anfang 2019 soll es ein vollwertiges Mitglied werden. Und spätestens dann erwartet Helmholtz Forschungsergebnisse auf Weltniveau, so wie es im Positionspapier der Gesellschaft steht.

Bei Backes geht es um Grundlagenforschung, die „dicken Bretter“ eben. Das Cispa soll Regierungen und Industrien vor Hackerangriffen schützen, autonome Systeme in Autos vor fatalen Eingriffen von außen absichern und verhindern, dass Kriminelle und Staaten Daten der Bürger missbrauchen. Bislang hat das Cispa 130 Mitarbeiter. An der Projektfinanzierung beteiligt sich unter anderem das Bundesforschungsministerium mit vier Millionen Euro. Bis 2026 soll das Zentrum dann auf 800 Forscher anwachsen. Davon werden 500 von Helmholtz finanziert. Allein 50 Millionen Euro jährlich gibt es hier – institutionell, also nicht an Projekte gekoppelt. Hinzu kommen noch Drittmittel, die das Cispa durch Forschungsprojekte einwerben will, um so 300 weitere Forscher ins Saarland zu locken. Aus der ganzen Welt.

Die Vision: Das Cyber-Sicherheitszentrum sollen im Endausbau drei Gebäude bilden: das jetzige, ein neues Hauptgebäude („Headquarter“) an der Stelle des verwitterten Stuhlsatzenhauses und ein weiteres Nebengebäude. Dazu kommt noch ein Bau für Start-ups der Forscher. Eine Kita. Eine internationale Schule. All das gibt es jetzt noch nicht. Das müssen sie aus dem Nichts stampfen, in wenigen Jahren.

Und es gibt Probleme: „Wir führen Gespräche mit Top-Forschern überall auf dem Globus. Die Leute haben Lust auf das Projekt, aber wir müssen ihnen die Rahmenbedingungen dafür schaffen“, sagt Backes. Etablierte Forscher wie Professoren an Land zu ziehen, sei aber auch weniger schwierig, meint Backes. Kopfzerbrechen bereite die Ebene unter den „Faculties“: die Doktoranden. „Wir haben einfach nicht genug.“ Backes hat mit dem von ihm initiierten Studiengang „Cybersicherheit“ zwar schon einen guten Grundstock. Auch die Graduiertenschule der Informatik sei ein Plus fürs Cispa.

„Wir müssen in Saarbrücken ein Valley schaffen – wie das Silicon Valley. Eine Start-up-Kultur etablieren.“ Backes’ Lockmittel: Junge Informatiker sollen in Co-Working-Spaces Ideen entwickeln und Firmen ausgründen. „Völlig risikolos. Wir müssen ihnen das Kapital für zwei Jahre geben. Damit sie drauf losspinnen können. Ohne Existenzängste. Das hemmt nur.“ Dafür brauche man andere Geldgeber. „Banken arbeiten dafür zu starr.“ Backes denkt an „Venture Capitalists“. Also private Geldgeber, die ihre Millionen in Forschung investieren wollen. Gegen Anteile.

Die Vision von Backes ist riesig. Alleine wird das Cispa das nicht schaffen. Auch nicht mit Helmholtz im Rücken. Sie brauchen das Land und Städte wie Saarbrücken. „Wir stehen komplett hinter der Vision“, sagt Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Saar-Ministerpräsidentin bezeichnet das Helmholtz-Zentrum – genau wie Backes – als „Jackpot“. Und drängt ebenfalls auf Fakten. „Wir müssen jetzt aber auch zusehen, dass wir nicht nur Visionen zeichnen, sondern handeln. Dieses Projekt ist ein Schlüssel für die positive Entwicklung unseres ganzen Landes.“

 Professor Michael Backes leitet das Cispa, das 2011 gegründet wurde und jetzt Teil der Helmholtz-Gemeinschaft ist.

Professor Michael Backes leitet das Cispa, das 2011 gegründet wurde und jetzt Teil der Helmholtz-Gemeinschaft ist.

Foto: Oliver Dietze

Davon wird dann auch die junge Studentin, die gern Selfies macht, etwas haben. Sie hat ihr Bild womöglich schon auf Facebook hochgeladen oder Instagram. „Die sozialen Netzwerke werden wir nie völlig abriegeln können“, sagt Backes. „Wir wollen sie aber transparenter machen.“ Das Cispa forscht an einem Programm, das Nutzern vor dem Veröffentlichen klar macht, was mit Fotos wohl nach dem Hochladen passieren wird. Stück für Stück. Wer es sehen kann. Welchen Schaden es anrichten wird. „Dann kann jeder entscheiden, ob er ein Selfie veröffentlichen will oder nicht. Dann ist es fair.“

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