Rom Wie in Italien die Wut auf Deutschland geschürt wird

Rom · Droht eine Eiszeit zwischen Berlin und Rom ? Eine Personalie lässt die Stimmung noch vor der Vereidigung der neuen Regierung auf einen Tiefpunkt sinken.

 Paolo Savona soll Finanzminister Italiens werden. Er sagt den Deutschen Nazi-Fantasien nach.

Paolo Savona soll Finanzminister Italiens werden. Er sagt den Deutschen Nazi-Fantasien nach.

Foto: dpa/Luca Bruno

Deutschland gegen Italien – zumindest bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland wird es diesen Klassiker in diesem Jahr nicht geben. Dafür gibt es einen umso härteren Schlagabtausch auf dem politischen Parkett. In Italien fühlt man sich belehrt vom deutschen Zeigefinger, der schneller gehoben wird, als die neue Regierung überhaupt beginnen kann. In Deutschland sorgte man sich dieser Tage wegen geplanter Mehrausgaben der populistischen Koalitionspartner Fünf-Sterne-Bewegung und Lega und befürchtete schon eine neue Euro-Krise. Und eine heikle Personalie brachte da nur das Fass zum Überlaufen: die des künftigen Finanzministers. Die rechtspopulistische Lega beharrte auf dem ausgemachten Euro- und Deutschland-Kritiker Paolo Savona. Und weil Italien hochverschuldet ist und unter der neuen Regierung noch mehr Schulden machen will, wäre das eines der wichtigsten Ämter der künftigen Regierung aus Lega und Fünf Sternen gewesen. Doch vorerst zumindest ist ihre Regierungsbildung gescheitert.

Der gebürtige Sarde ließ die Emotionen hochkochen und war letztlich das größte Hindernis für die geplante Regierung der Koalition. Staatspräsident Sergioa Mattarella hatte eine Ernennung Savonas zum Wirtschafts- und Finanzminister abgelehnt. Lega-Chef Matteo Salvini hingegen hielt an der Personalie fest.

Savonas Thesen sind in der Tat nicht sehr schmeichelhaft für die Deutschen. So sagt er den „tedeschi“ immer noch Kolonialmachts- und Nazi-Fantasien nach. In seiner Autobiografie heißt es: „Deutschland hat seine Vision für seine Rolle in Europa nach dem Nationalsozialismus nicht geändert, obwohl es sich von der Vorstellung verabschiedet hat, dies mit Waffengewalt durchzusetzen.“ Bei einer Veranstaltung sagte er italienischen Medien zufolge auch, dass das heutige Deutschland denselben Plan habe wie „unter Minister Funk“. Walther Funk war im Nationalsozialismus Hitlers Wirtschaftsminister. Der Euro sei ein „Käfig“, der vor allem den Deutschen nutze. Italien müsse deshalb einen „Plan B“ ausarbeiten und sich so auf einen Ausstieg aus dem Euro gefasst machen. Wenn die Italiener diesen Plan hätten, würden sie von den Deutschen auch besser behandelt. Die Personalie birgt also einiges an Zündstoff. Der ehemalige italienische Finanzminister Vincenzo Visco sprach von einer radikalen und selbstmörderischen anti-deutschen Haltung, die Savona habe und die dem ganzen Land schaden könne. Doch ein Finanzminister nach deutschem Geschmack ist so ungefähr das letzte, worauf sich Lega-Chef Matteo Salvini einlassen will. Er hat  die Nase voll vom deutschen Lehrmeister – überhaupt: von europäischen Nachbarn, die sich seiner Meinung nach besser um ihre eigenen Angelegenheiten scheren sollten.

Jede Warnung deutscher Politiker in Richtung Rom wird als Einmischung gewertet. Und auf Kommentare deutscher Medien, in denen die Italiener als undankbare „Schnorrer“ bezeichnet werden, die nichts tun, außer die Hand aufzuhalten, reagiert nicht nur Salvini empfindlich. Doch er spricht es aus: „Deutsche Zeitungen und Politiker beschimpfen (uns) als italienische Bettler, Nichtstuer, Steuervermeider, Schnorrer und Undankbare“, twitterte Salvini am Samstag. „Und wir sollen einen Wirtschaftsminister auswählen, der ihnen passt? Nein, danke!“

Am Wochenende nun hatte es ein Treffen zwischen Staatspräsident Sergio Mattarella, der ja Savonas Ernennung abgelehnt hatte, und Giuseppe Conte gegeben. Letzterer gab danach seinen Auftrag zur Regierungsbildung an Mattarella zurück, das erklärte das Präsidialamt in Rom.

Zu wichtig jedoch ist Deutschland für Italien – und umgekehrt. 2017 legte das bilaterale Handelsvolumen nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) auf mehr als 120 Milliarden Euro zu, dies war das dritte Rekordjahr in Folge. Will eine neue Regierung in puncto Staatsverschuldung verhandeln, ist es sicherlich nicht förderlich, gleich zu Beginn mit Berlin auf Konfrontationskurs zu gehen.

Deutschland-Bashing ist in Italien nichts Neues, gern wird für die eigenen wirtschaftlichen Probleme das deutsche „Spardiktat“ verantwortlich gemacht. So galt Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble lange als der meistgehasste Mann – nicht nur in Griechenland, sondern auch in Italien. Aber dass die Wut nun schon so groß ist, bevor überhaupt eine Regierung steht, ist ungewöhnlich und beunruhigend.

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