Verkehr Wie die Maut nach Deutschland kriecht

Berlin · Lange und hartnäckig hat die CSU für die Maut gekämpft. Doch unter anderem Klagen beim EuGH ziehen das Projekt in die Länge.

 Bis spätestens 2021 soll die Pkw-Maut überall in Deutschland eingeführt sein, verspricht der neue Verkehrsminister Scheuer. Doch es gibt noch juristische Hürden. Hier, auf der Stadtautobahn bei Rostock, weist ein Verkehrsschild die Autofahrer auf die Mautpflicht für die Passage des Warnowtunnels hin.

Bis spätestens 2021 soll die Pkw-Maut überall in Deutschland eingeführt sein, verspricht der neue Verkehrsminister Scheuer. Doch es gibt noch juristische Hürden. Hier, auf der Stadtautobahn bei Rostock, weist ein Verkehrsschild die Autofahrer auf die Mautpflicht für die Passage des Warnowtunnels hin.

Foto: dpa/Jens Büttner

Es gibt diese typischen Verkehrsminister-Termine. Vor kurzem war Andreas Scheuer unterwegs, es ging um einen Spatenstich für die Elektrifizierung einer Bahnstrecke. „Wir setzen euch unter Strom“, meinte der 43-Jährige locker. Dabei weiß er natürlich selbst, dass das neue Amt als Ressortchef nicht nur angenehm wird. Es schwelen einige Altlasten von der Dieselkrise bis zum schleppenden Breitband-Ausbau. Dann ist da noch die Pkw-Maut. Und Scheuer lässt schon mal erkennen: Ganz fix geht es damit eher nicht.

Dass das Prestigeprojekt der CSU in der großen Koalition heikel ist, war von Anfang an klar. Vor einem Jahr brachte es Scheuers Vorgänger Alexander Dobrindt (CSU) aber doch über die letzte politische Hürde. Der Bundesrat gab am 31. März 2017 den Weg für ein Mautmodell frei, das nach einigen Änderungen den Segen der EU-Kommission bekam. Seitdem steht die „Infrastrukturabgabe“, die alle zahlen sollen, die aber nur Fahrer aus dem Ausland extra belastet, schwarz auf weiß im Gesetz. Kurz vor der Bundestagswahl schaffte Dobrindt auch noch erste Fakten und startete Ausschreibungen für den künftigen Systembetrieb.

Doch wann kommt sie nun auf die Straße? Dobrindt musste erleben, wie man sich mit Prophezeiungen verkalkulieren kann. „Am 1. Januar 2016 wird die Pkw-Maut scharfgestellt“, verkündete er 2014 kühn. Doch bis heute spüren Autofahrer bekanntlich nichts davon. Seitdem hütet sich das Ministerium davor, einen Termin zu nennen. In der offiziellen Einnahme-Prognose wird aber ein Start für 2019 angepeilt.

Scheuer baut jetzt nach dem Motto „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“ gleich einen maximalen Sicherheitspuffer ein. „Ich mache keine Zeitvorgabe“, sagte er der „Rheinischen Post“. Nur so viel: Die Maut werde „auf jeden Fall in dieser Wahlperiode“ eingeführt – also bis spätestens 2021.

„Wir sind mit Hochdruck dran“, versichert der neue Minister. Es seien aber noch nicht alle „organisatorischen und technischen Details“ geklärt. Und nach der langen politischen Debatte wolle er ein System einführen, „das dann auch gut funktioniert“. Tatsächlich ist noch einiges in der Schwebe. Derzeit läuft das Verfahren zur Auswahl der Maut-Betreiber. Es geht um Erhebung und Kontrolle der Maut. Zum Stand der Dinge und dem Zeitplan hüllt sich das Ministerium in Schweigen.

Dann sind da noch juristische Unwägbarkeiten. Österreich hat Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht. Die Alpenrepublik, die selbst für Vignetten kassiert, ist seit jeher einer der stärksten Kritiker der Maut und wäre mit 1,8 Millionen Deutschland-Pendlern stark betroffen. Der Kernvorwurf: Weil nur inländische Autobesitzer über die Kfz-Steuer voll für die Maut entlastet werden sollen, würden ausländische Fahrer verbotenerweise diskriminiert. Die Niederlande wollen sich der Klage anschließen. Ein Gerichtstermin ist aber noch nicht angesetzt, dauern kann das EuGH-Verfahren bis zu zwei Jahre.

Kritiker sagen seit langem, dass die Richter die Maut ausbremsen könnten – Folgen für ein möglicherweise schon laufendes System und die Betreiber ungewiss. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer warnt, die Maut werde beim EuGH scheitern, „da sie antieuropäisch ist, den Grenzregionen schadet, ein Bürokratiemonster ist und den deutschen Steuerzahler Millionen kostet“. Statt an dem „Stammtischprojekt“ festzuhalten, sollte Scheuer die „unsinnige CSU-Maut“ begraben.

Diesen Wunsch wird ihm der CSU-Mann nicht nur wegen der Landtagswahl in Bayern im Oktober nicht erfüllen. Nach den Vorbereitungen für die technische Einführung muss Scheuer dann aber auch beim wichtigsten Grund für das ganze Vorhaben zeigen, dass die Versprechungen tragen: Nach Abzug der Systemkosten sollen unterm Strich gut 500 Millionen Euro pro Jahr für Straßen-Investitionen übrig bleiben, errechnete das Ministerium. Zweifel an den Einnahmen verstummen aber nicht.

Daneben hat es Scheuer auch noch mit einer anderen Maut-Baustelle zu tun: Der Ausweitung der Lkw-Maut auf das gesamte, 39 000 Kilometer lange Netz der Bundesstraßen, die stattliche zwei Milliarden Euro pro Jahr extra einbringen soll. Anders als bei der Pkw-Maut steht dafür seit langem ein konkreter Starttermin: Sonntag, der 1. Juli 2018.

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