Wie Athen Europa brüskiert

Brüssel · Mit ihrem 200-Millionen-Sozialprogramm hat Griechenlands Regierung die Partner vor den Kopf gestoßen. Beim EU-Gipfel in Brüssel versuchte Athen, die Wogen zu glätten. Doch die Verärgerung schlug immer höhere Wellen.

Der Krisengipfel von Brüssel war eigentlich schon gescheitert, als die Bundeskanzlerin am Tagungsgebäude eintraf. "Erwarten Sie keine Lösung und auch keinen Durchbruch", sagte Angela Merkel deutlich. Damit war klar: Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras würde von seinen europäischen Freunden nicht bekommen, was er sich erhofft hatte: Erleichterungen, schnelles Geld oder sonstige Zugeständnisse. Dafür hatte der hellenische Premier die Partner wohl auch zu sehr verärgert, als er am Vorabend das Parlament in Athen über eine 200-Millionen-Euro-Geldspritze für ein Sozialprogramm zugunsten der Armen in seinem Land entscheiden ließ - ausdrücklich unter Umgehung der Institutionen, wie die Experten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) inzwischen heißen. Ein offener Affront, denn gemäß der Absprachen im Kreis der Finanzminister hätte Tsipras diesen Beschluss zuvor genehmigen lassen müssen.

Doch schon am Morgen dieses ersten Gipfeltages traten seine Helfershelfer an, um die Wogen wieder zu glätten. Die Regierung wisse, dass es ein großes Liquiditätsproblem gebe. "Wir laufen Gefahr, ohne Geld zu bleiben", räumte Vizeregierungschef Giannis Dragasakis ein. Seit August 2014 habe man keine Zuschüsse mehr bekommen. "Dabei zahlen wir normal unsere Verpflichtungen." Aber die Verärgerung der Europäer schlug an diesem Tag immer höhere Wellen. Bereits vor dem für die Nacht zum Freitag geplanten Krisentreffen mit dem griechischen Premier, an dem neben der Bundeskanzlerin auch Frankreichs Staatspräsident François Hollande , Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EZB-Chef Mario Draghi , der Vorsitzende der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem , und Ratspräsident Donald Tusk teilnahmen, hatten führende EU-Politiker offen vom Aus Griechenlands in der Euro-Zone gesprochen. Als die Kombattanten dann schließlich am späten Abend zusammentrafen, schien die Lage tatsächlich völlig verfahren zu sein, auch wenn das Signal, die Krise zur Chefsache zu machen, deutlich erkennbar war.

Tsipras hatte offenbar gehofft, wenigstens jene 1,9 Milliarden Euro mitnehmen zu können, die die EZB aus Zinsgewinnen mit griechischen Anleihen am Markt gemacht und zurückgelegt hatte. Die Euro-Vertreter forderten dagegen eine Rückkehr zu den Vereinbarungen der Euro-Gruppe vom 20. Februar, denen der Athener Premier selbst zugestimmt hatte. Demnach muss die Regierung bis Ende April einen Plan ihrer Reformen einreichen und kann, wenn diese akzeptabel sind, auf die letzte Tranche aus dem zweiten Hilfspaket plus den Finanzmitteln der EZB hoffen. Das würde zusammen rund 3,5 Milliarden machen. Dabei hatte die Frankfurter Bank bereits den Kreditrahmen aus ihrem ELA-Notprogramm für die hellenischen Banken um weitere 400 Millionen auf nun fast 70 Milliarden Euro erhöht.

Meinung:

Seltsames Politikverständnis

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes

Ein Teil des griechischen Problems ist das ausgesprochen seltsame Politikverständnis der neuen Führung sowie ihr Umgang mit Abmachungen und Verträgen. Das zeigte sich auch bei den Hoffnungen, die auf dem Krisengespräch dieser Nacht lagen. Tsipras, der offenkundig erwartet hatte, mehr Geld mit nach Hause nehmen zu können, musste erneut die Erfahrung machen, dass die Euro-Gruppe der EU eben kein loser Verein ist, in dem jeder machen kann, was er will. Der Beschluss, dass Athen zunächst seine Reformen auflisten muss und erst dann Geld bekommt, wenn diese Liste gebilligt wurde, ist nichts, was man aushebeln oder übergehen darf. Niemand verlangt von Tsipras, die sozial Schwachen weiter ins Elend zu stoßen. Er soll die Verwaltung umbauen, den Staat fit machen. Das ist nicht unsozial, sondern der einzige Weg, um seinem Land das zu geben, was der griechische Premier versprochen hat: die Würde, wieder unabhängig und eigenständig wirtschaften zu können.

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