Bremen gewinnt vor Gericht Wenn König Fußball den Bürger Geld kostet

Saarbrücken/Bremen · Für große Polizeieinsätze beim Fußball sollen künftig die Vereine zahlen. Das Gerichtsurteil aus Bremen wühlt auf – auch im Saarland.

Krawall-bereite Fans und jede Menge Polizei – das gab es auch beim Spiel Werder Bremen gegen den Hamburger SV 2015. Es ist die Grundlage für das spektakuläre Urteil, das gestern in Bremen fiel.

Krawall-bereite Fans und jede Menge Polizei – das gab es auch beim Spiel Werder Bremen gegen den Hamburger SV 2015. Es ist die Grundlage für das spektakuläre Urteil, das gestern in Bremen fiel.

Foto: dpa/TeleNewsNetwork

„Krawall-Samstag in Homburg“ titelt die SZ nach dem Saar-Derby vom 30. Oktober 2016. FC Homburg gegen den 1. FC Saarbrücken, damals noch beide in der Regionalliga, ein Duell alter Rivalen, ein Risiko-Spiel. Und es geht rund. Auf dem Platz, wo es 3:3 endet, aber vor allem drumherum. Pyro-Technik wird gezündet, Fans randalieren in der Innenstadt. Ein Großaufgebot der Polizei ist im Einsatz, sichert Anreisewege, nimmt Randalierer fest, schützt Unbeteiligte. Es sind Szenen wie diese, die auch höhere Ligen beschäftigen – und die nach einem gestrigen Gerichtsurteil aus Bremen neu diskutiert werden.

Wer soll bezahlen, wenn für Risiko-Spiele viel mehr Polizei benötigt wird als üblicherweise? Der Staat, also der Steuerzahler, oder die Fußball-Veranstalter? Bislang war die Antwort klar: Der Staat. Denn er ist für die Sicherheit im öffentlichen Raum zuständig. Das Land Bremen sieht jedoch die Deutsche Fußball Liga (DFL) als Verursacher, die sich daher an Mehr-Kosten beteiligen soll. Konkret an den Folgen des Nord-Derbys Werder Bremen gegen den HSV von 2015. Dafür fordert das Land 425 000 Euro von der DFL. Zu Recht, befand gestern das Oberverwaltungsgericht Bremen in einer Berufungsverhandlung. Es sei grundsätzlich zulässig, bei Hochrisikospielen einen Teil der Kosten an die DFL weiterzuleiten. Schließlich seien Fußballspiele auch aufgrund der Sicherheitsleistungen der Polizei wirtschaftlich erfolgreich. Ein Urteil mit Signalwirkung, das Jubel in Bremen auslöste, und Empörung im deutschen Fußball.

Auch im Saarland gibt es Risiko-Spiele. Wie das Derby 1. FC Saarbrücken gegen FC Homburg (hier im Mai 2017), das im März im Saarlandpokal wieder steigt.

Auch im Saarland gibt es Risiko-Spiele. Wie das Derby 1. FC Saarbrücken gegen FC Homburg (hier im Mai 2017), das im März im Saarlandpokal wieder steigt.

Foto: Markus Hagen

Die DFL, die für die 36 Vereine und Kapitalgesellschaften der 1. und 2. Liga steht, kündigte umgehend Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig an. „Der Fußball ist nicht Verursacher von Gewalt, und eine bloße Umverteilung von Kosten führt nicht zur notwendigen Reduzierung der Polizeieinsätze“, sagte Ligapräsident Reinhard Rauball. Unterstützung kam von DFB und mehreren Bundesliga-Clubs. Schließlich geht es für sie um Millionen. Denn schon 2016 hatte die DFL angekündigt, eventuelle Mehrkosten an die Vereine weiterzugeben.

Zwar spielt der Fall in der Bundesliga, wo Zuschauer-, Einsatzzahlen und Kosten viel höher liegen als im Saarland. Außerdem fällt das letzte Wort erst in Leipzig. Aber auch im Saarland werden Spiele mit erhöhtem Risiko eingestuft, auch hier entstehen Kosten. Beispiel: Während bei den Heimspielen des 1. FC Saarbrücken in der Vorsaison nach Polizeiangaben im Schnitt rund 73 Beamte im Einsatz waren, können es je nach Gefährdungslage – bei Risiko-Spielen – bis zu 400 sein. Die Einsätze kosteten den Steuerzahler insgesamt rund 835 000 Euro. In der Bundesliga geht es zwar um Millionenbeträge – doch wo sollen rechtliche Grenzen der Geltung gezogen werden, wenn es in der Sache um dasselbe geht?

Deswegen reagiert Ralf Porzel, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Saarland, mit „Überraschung und Skepsis“ auf das Bremer Urteil. Grundsätzlich halte er es für ein tragendes Prinzip, „dass Polizeieinsätze im öffentlichen Raum nichts kosten dürfen“, sagte Porzel der SZ. Zwar empfinde es mancher als „ärgerlich“, dass Bundesliga-Vereine, die Millionen umsetzen, teure Polizeieinsätze verursachen und dann nicht zahlen müssen. Eine Begrenzung nur auf reiche Vereine hält Porzel aber für rechtlich bedenklich. Vielmehr öffne das Urteil die Tür auch für kostenpflichtige Großveranstaltungen anderer Art, wie Fußballspiele oder Musikevents auch im Saarland. Und das Geld hätte so mancher Veranstalter gar nicht, sagt Porzel.

Offene Fragen sehen auch Stimmen aus der saarländischen Fußballwelt, weisen aber darauf hin, dass Saar-Vereine von dem Fall aus dem Profifußball zunächst gar nicht betroffen sind und wollen erstmal eine Revision abwarten. Das betont neben dem Saarländischen Fußballverband auch der 1. FC Saarbrücken. Für eine seriöse Bewertung des Urteils aus Bremen sei es „zu früh“. Nur so viel: Grundsätzlich sei der Staat für die öffentliche Sicherheit zuständig. Außerdem warnt Sprecher David Fischer vor einer Pauschalisierung, „dass Fußballspiele für Gewalt sorgen“. Schon jetzt investiere der FCS wie andere Fußballclubs viel in die Sicherheit im und um das Stadion.

Und die Politik? Reagierte ebenfalls auf das Urteil. Während das Land Bremen über den juristischen Sieg jubelte, sind andere Bundesländer gespalten. Einige wollen das Urteil aus Leipzig abwarten, andere winken beim Thema Kostenbeteiligung an Vereine ab, wieder andere wie Rheinland-Pfalz begrüßten das Urteil und wollen das weitere Verfahren aufmerksam verfolgen. Das saarländische Innenministerium unter Klaus Bouillon (CDU) hatte eine Kostenbeteiligung in der Vergangenheit ausgeschlossen. Auch aktuell gebe es „keine Überlegungen, auch im Saarland Vereine an den Kosten zu beteiligen“, erklärte eine Sprecherin gestern. Das Ministerium verweist ebenso darauf, dass das letzte Wort erst vor dem Bundesverwaltungsgericht fällt. Bliebe es aber danach bei der Gebührenpflicht, wäre es „wünschenswert, wenn eine bundesweit einheitliche Haltung der Länder erreicht werden könnte“. Eine klare Rote Karte wie bisher ist das nicht.

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