Freilassung im Südsudan Wenn Kinder morden, plündern und vergewaltigen müssen

Juba · Zehntausende Kindersoldaten werden in den Kriegen der Welt eingesetzt. Auch wenn sie mal freikommen – wie jetzt im Südsudan –, ist ihr Martyrium noch nicht vorbei.

Sie kommen frei. In wenigen Stunden sind sie keine Kindersoldaten mehr. Im Dienste ihrer Miliz mussten sie töten und plündern. Kurz vor ihrer Befreiung klammern sich einige der Jungen noch immer an ihre Holzwaffen, die sie zur Übung hatten. Viele der Kinder, die in der Einrichtung von Hilfsorganisationen in Yambio im Südsudan übergangsweise übernachten und darauf warten, in die Normalität zurückzukehren, wirken noch verstört, wie Mark Nonkes von ­World Vision erzählt. „Sie haben einige der schlimmsten Dinge erlebt, die die Menschheit zu bieten hat.“

Die Kinder haben nach Monaten, manchmal Jahren des Leidens nun Glück gehabt. Sie gehören zu rund 300 Kindern, die im Südsudan von zwei Rebellengruppen freigelassen werden. Doch in dem Bürgerkriegsland im Osten Afrikas gehören dem UN-Kinderhilfswerk zufolge immer noch etwa 19 000 Kinder bewaffneten Gruppen an. Weltweit sind es Zehntausende – eine genaue Zahl gibt es nicht. Projekte wie „Rebound“, das von World Vision und BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken gegründet wurde, versuchen Ex-Kindersoldaten einen Neustart nach den grausamen Erfahrungen zu ermöglichen. Auf das Schicksal der Betroffenen macht der Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten aufmerksam, der am Montag begangen wird.

In Ländern wie dem Südsudan, Irak, Somalia, der Zentralafrikanischen Republik, dem Kongo und Afghanistan werden jedes Jahr tausende Kinder von bewaffneten Gruppen im Kampf eingesetzt; einige werden zwangsrekrutiert, andere schließen sich freiwillig an. Nicht nur Rebellen, auch Regierungskräfte sind dafür verantwortlich. Die Kinder sind zugleich Opfer und Täter. Sie werden zu brutalen Taten gezwungen, müssen Dörfer überfallen, Menschen töten oder vergewaltigen, oft unter Androhung des eigenen Todes. Kindersoldatinnen werden sexuell missbraucht.

Doch auch eine Befreiung stellt nicht sofort ein Ende der Odyssee dar. Für die meisten Ex-Kindersoldaten ist es extrem schwierig, in die Normalität zurückzukehren. „Ihnen fehlt ein großes Stück Kindheit“, sagt Vedasto Nsanzugwanko, Kinderschutz-Beauftragter bei Unicef im Südsudan. Sie müssen schwere Traumata bewältigen. Viele können nicht lesen und schreiben. Nicht alle finden in ihr altes Leben zurück. „Die Kinder werden oft von ihren Gemeinden abgelehnt“, erklärt Betty Lalam. Denn durch die Straftaten, die sie begehen mussten, sind sie in vielen Gesellschaften mit einem Stigma behaftet. Lalam leitet eine Organisation in Uganda, die ehemalige Kindersoldaten unterstützt. In dem Land trieb jahrelang die Rebellengruppe „Lord‘s Resistance Army“ ihr Unwesen, die systematisch Kinder als Kämpfer einsetzte.

„Wenn man sich nicht um sie kümmert, ist das schlimmste, dass sie zu den Milizen zurückkehren“, sagt Sänger Niedecken. Sein Projekt in Afrika bietet Kindersoldaten neben psychologischer Betreuung auch eine Schul- oder Berufsausbildung. Der Musiker weiß, dass die Rekrutierung von Kindern in Konflikten kaum zu beenden ist. Befreiungen von Kindersoldaten wie im Südsudan kommen nicht oft vor, wohl nur Frieden kann das Problem nachhaltig lösen. Es sei ein „fast hoffnungsloses Thema“, sagt Niedecken. Die Hoffnung gibt er aber nicht auf: „So lange man da auch nur ein Kind rausholen kann, dann lohnt es sich schon.“

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