Polizeiliche Kriminalstatistik 2017 Weniger Kriminalität, mehr Ängste

Berlin · Die neue Kriminalstatistik deutet auf ein sicheres Deutschland. Dennoch wächst das Unwohlsein in der Bevölkerung. Wie passt das zusammen?

 Auf Facebook bekäme die am Dienstag vorgestellte Kriminalstatistik der Polizei viele „Daumen-hoch“-Klicks. Doch Innenminister Horst Seehofer (CSU) weiß: Die Zahlen decken sich nicht mit der Wahrnehmung der Menschen.

Auf Facebook bekäme die am Dienstag vorgestellte Kriminalstatistik der Polizei viele „Daumen-hoch“-Klicks. Doch Innenminister Horst Seehofer (CSU) weiß: Die Zahlen decken sich nicht mit der Wahrnehmung der Menschen.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

() Weniger Diebstähle. Weniger Gewalt. Auch die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten geht zurück. Trotz der positiven Nachrichten, die aus der aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik hervorgehen, gaben bei einer repräsentativen Umfrage im März 44 Prozent der Befragten an, sie fühlten sich heute weniger sicher als noch vor Jahren. Ein Grund ist sicher die wachsende Verfügbarkeit von Nachrichten. Ein atemlos kommentiertes Handy-Video hat einen stärkeren Effekt als eine ruhig vorgetragene Nachricht in der Tagesschau.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der die neuste Statistik am Dienstag vorstellte, glaubt, dass auch „gute Beleuchtung auf Straßen und Plätzen“ und „ein sauberes Straßenbild“ dazu beitragen können, dass sich Menschen sicher fühlen.

Die AfD zieht die Ergebnisse der Kriminalstatistik ganz grundsätzlich infrage. Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel sagt, da nur erfasst werde, „womit sich die Polizei überhaupt beschäftigt, wird die Statistik paradoxerweise umso rosiger, je schlechter der Rechtsstaat funktioniert“. In der Tat weist das Bundeskriminalamt (BKA) darauf hin, dass bestimmte Vergehen gar nicht erfasst werden: Staatsschutzdelikte, Verkehrsvergehen, Ordnungswidrigkeiten, Delikte aus dem Finanz- und Steuerbereich, bei denen nicht die Polizei sondern andere Behörden ermitteln oder Straftaten, die direkt bei der Staatsanwaltschaft angezeigt werden. Selbst für das, was übrig bleibt, gilt: Damit eine Tat in der Statistik landet, muss sie erst einmal der Polizei bekannt sein.

Wie aussagekräftig die Statistik ist, das hänge auch von der Art des Delikts ab, erläutert eine BKA-Sprecherin. „Es gibt einige Bereiche wie etwa Eigentumsdelikte, da haben wir ein geringes Dunkelfeld. Die meisten Betroffenen werden Delikte hier anzeigen, schon aus Versicherungsgründen.“ Bei Rauschgiftdelikten hingegen hätten die Beteiligten wenig Grund, zur Polizei zu gehen. „Die Polizeiliche Kriminalstatistik kann nur eine Annäherung darstellen.“

Wie sicher sich die Bürger fühlen, hat aber auch damit zu tun, wie viele Täter dingfest gemacht werden. Und da gibt es durchaus Unterschiede. Vor allem Berlin und Hamburg fallen hier negativ auf. In den beiden Großstädten wurden 2017 von 100 statistisch erfassten Straftaten im Schnitt jeweils weniger als 45 Delikte aufgeklärt. In Frankfurt am Main, einer Großstadt mit ebenfalls relativ hoher Kriminalität, wurden dagegen rund 64 von 100 Straftaten aufgeklärt. Im Vergleich der Bundesländer hatten Bayern (66,8 Prozent), Rheinland-Pfalz (64,4 Prozent) und Thüringen (64,5 Prozent) die höchsten Aufklärungsquoten. Im Saarland lag sie bei 56, 3.

Zu den wenigen Deliktgruppen, bei denen die Polizei 2017 einen deutlichen Anstieg verzeichnete, gehören Verstöße gegen das Waffengesetz. Sie nahmen um 10,3 Prozent auf rund 38 000 Fälle zu. Eine Gruppe, die die Bundesrepublik insgesamt ablehnt, hat auch einen Hang zu Waffen. Sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter sind nach Einschätzung des Verfassungsschutzes oft gewaltbereit. In der aktuellen Statistik wird diese Gruppe, die die Behörde zuletzt auf 10 000 Personen schätzte, das erste Mal als Teil der politisch motivierten Kriminalität erfasst. Demnach haben Reichsbürger oder Selbstverwalter im vergangenen Jahr insgesamt 911 Straftaten verübt, darunter 144 Gewaltdelikte.

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