Zu hohe Kosten Weiter massive Kritik an SPD-Rentenvorstoß

München/Düsseldorf · Der Experte Bernd Raffelhüschen beziffert die Kosten für ein stabiles Niveau der Alterssicherung bis 2040 auf langfristig drei Billionen Euro.

Der Rentenexperte Bernd Raffelhüschen.

Der Rentenexperte Bernd Raffelhüschen.

Foto: dpa/Soeren Stache

(e Forscher und Politiker kritisieren den Vorstoß von Finanzminister Olaf Scholz (SPD), das heutige Rentenniveau dauerhaft zu garantieren. Die Standardrente bis 2040 bei 48 Prozent zu stabilisieren, sei „unfinanzierbar und unfair gegenüber den Jüngeren“, sagte der Rentenexperte Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg der „Süddeutschen Zeitung“. Der Wissenschaftler bezifferte die Kosten auf langfristig drei Billionen Euro.

Raffelhüschen rechnet nach eigenen Worten damit, dass der Beitrag zur Rentenkasse von derzeit 18,6 bis zum Jahr 2040 auf 29 Prozent des Bruttoverdiensts steigen müsste. „Die jüngeren Arbeitnehmer würden noch mehr geschröpft“, sagt er. „Die Akzeptanz des Rentensystems wird schwinden. Deutsche werden massiv versuchen, den Beiträgen auszuweichen“, etwa durch Selbstständigkeit oder Verlegung von Arbeitsverhältnissen ins Ausland.

Axel Börsch-Supan vom Max-Planck-Institut für Sozialpolitik in München sagte, die Diskussion sei „von Panikmache geprägt“. Wenn das Rentenniveau sinke, bedeute das nicht, dass die ausgezahlten Renten schrumpfen. „Fällt das Rentenniveau wie erwartet auf knapp 42 Prozent, steigen die Renten dennoch nach Inflation um ein Prozent jährlich“, erklärte er in der „Süddeutschen“. „Wer heute 35 ist und in etwa 30 Jahren in Rente geht, wird 30 Prozent mehr Kaufkraft haben als heutige Rentner.“

Börsch-Supan wies Scholz‘ Argument zurück, stabile Renten verhinderten einen deutschen Trump. „Leichtfertig ein stabiles Rentenniveau zu versprechen, als käme das zum Nulltarif, fördert eher den Populismus.“

Auch der CDU-Fraktionsvize Hermann Gröhe, der Mitglied der von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) eingesetzten Rentenkommission ist, erklärte: „Populisten schlägt man nicht, indem man selbst zu Schnellschüssen neigt.“ Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende warnte gestern im WDR5-„Morgenecho“ davor, „der Vereinfachung, der Angst zwischen Generationen“ das Wort zu reden. Nötig sei vielmehr, das Vertrauen in das Rentenversicherungssystem zu stärken. „Und das tun wir am besten, wenn wir sachlich alle Chancen auf einen Rentenkonsens ausloten“, sagte Gröhe. Die Rentenkommission sei aber gerade erst eingerichtet worden, ihre erste Klausurtagung finde im September statt.

Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, äußerte hingegen Sympathie für den Rentenvorstoß des Bundesfinanzministers. Er sagte der „Rheinischen Post“, es sei absolut richtig, dass die SPD das Rentenniveau über das im Koalitionsvertrag genannte Jahr 2025 hinaus stabilisieren wolle. „Diese Diskussion muss geführt werden“, sagte der Gewerkschafter. „Und es geht kein Weg daran vorbei, die Renten in Deutschland armutsfest zu machen.“

Die SPD bleibt derweil bei ihrer Forderung nach einer Garantie für stabile Renten über 2025 hinaus. Juso-Chef Kevin Kühnert forderte im „Handelsblatt“ eine Einbeziehung unter anderem auch von Abgeordneten und staatlichen Amtsträgern in die gesetzliche Rente, um die anderen Beitragszahler nicht immer stärker zu belasten.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte auf die Kommission verwiesen, die Vorschläge für die Zeit nach 2025 erarbeiten soll und sich daher ablehnend zum Vorstoß von Vizekanzler Scholz geäußert.

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