Weißes Haus will die Waffen-Lobby an die Kette legen

Washington. Diesmal will Barack Obama der mächtigen Waffenlobby National Rifle Association (NRA) nicht erlauben, die Empörung in der Bevölkerung über das Massaker an der Sandy-Hook-Grundschule auszusitzen. Deshalb hat der Präsident seinem Stellvertreter Joe Biden eine knappe Frist gesetzt, Vorschläge zur Reform der amerikanischen Waffengesetze zu erarbeiten

 In manchen US-Staaten ist es einfacher, eine Waffe zu bekommen als einen Führerschein. Foto: dpa

In manchen US-Staaten ist es einfacher, eine Waffe zu bekommen als einen Führerschein. Foto: dpa

Washington. Diesmal will Barack Obama der mächtigen Waffenlobby National Rifle Association (NRA) nicht erlauben, die Empörung in der Bevölkerung über das Massaker an der Sandy-Hook-Grundschule auszusitzen. Deshalb hat der Präsident seinem Stellvertreter Joe Biden eine knappe Frist gesetzt, Vorschläge zur Reform der amerikanischen Waffengesetze zu erarbeiten. Im Vorfeld der in Kürze erwarteten Ergebnisse sickerte durch, dass Bidens Arbeitsgruppe auf ein umfassenderes Maßnahmen-Paket drängen wird, als ursprünglich einmal erwartet worden war.

Das Verbot der Herstellung und des Verkaufs semi-automatischer Waffen mit Schnellfeuer-Magazinen für den zivilen Markt ist darin nur eine Maßnahme. Außerdem soll ein lückenloses System der Personenüberprüfung bei Waffenkäufen eingeführt werden. 40 Prozent aller Waffen in den USA werden zwischen Privat-Personen z. B. bei "Gun-Shows" abgewickelt - ohne sonst vorgeschriebene Routineanfrage beim FBI-Register. Zudem sollen die Waffen selbst in einer Datenbank registriert und erfasst werden, um ihren Verbleib verfolgen zu können.

Darüber hinaus soll verhindert werden, dass psychisch kranke Menschen in den Besitz von Waffen gelangen. Gleichzeitig wollen die Experten die Strafen für Personen erhöhen, die in der Nähe von Schulen mit Waffen angetroffen werden. Schließlich wird auch das Thema "Exzessive Gewalt in Filmen und Videospielen" angegangen.

Der Präsident der einflussreichen Anti-Waffen-Organisation "Brady Campaign to Prevent Gun Violence", Dan Gross, lobt die Bereitschaft des Weißen Hauses, das Problem frontal anzugehen. "Sie schrecken nicht davor zurück, eine umfassende Lösung vorzulegen." Barack Obama hatte den Mord von zwanzig Grundschulkindern und sechs Erwachsenen am 14. Dezember vergangenen Jahres in Newton als "schlimmsten Tag" seiner Präsidentschaft bezeichnet. Das Haupthindernis für Reformen bleibt die mächtige Waffenlobby NRA, die über ihre Verbündeten im Kongress bisher jede Reform verhindert hat. Auf einer Pressekonferenz nach dem Massaker hatte NRA-Präsident Wayne LaPierre vorgeschlagen, alle Schulen von bewaffneten Kräften sichern zu lassen: "Das Einzige, das einen schlechten Kerl mit einer Waffe stoppt, ist ein guter Kerl mit einer Waffe."

Das Weiße Haus arbeitet an einer Strategie, die NRA zu isolieren und zu umgehen. Dazu versucht die Regierung unter anderem Walmart, den größten Waffenverkäufer in den USA, sowie Jäger- und Sportschützenverbände zu gewinnen. Zudem werden Maßnahmen geprüft, die ohne Zustimmung des Kongresses per Exekutiv-Befehl des Präsidenten umgesetzt werden können. In den USA kommen durch den Gebrauch von Schusswaffen jedes Jahr 32 000 Menschen ums Leben. Ein Drittel davon als Opfer von Gewaltverbrechen.

Meinung

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Von SZ-Korrespondent

Thomas Spang

 In manchen US-Staaten ist es einfacher, eine Waffe zu bekommen als einen Führerschein. Foto: dpa

In manchen US-Staaten ist es einfacher, eine Waffe zu bekommen als einen Führerschein. Foto: dpa

Mit zynischer Routine hat die mächtige Waffenlobby in den USA in der Vergangenheit die Betroffenheit in der Bevölkerung nach Amokläufen ausgesessen. Kaum waren die Tränen über die Toten getrocknet, drängte die NRA ihre Verbündeten im Kongress zu einer weiteren Lockerung der Waffengesetze. Geschickt verstanden sie es, die Mär zu verbreiten, die 32 000 Schusswaffen-Toten pro Jahr hätten mit allem anderen als dem einfachen Zugang zu allen möglichen Schießeisen zu tun. Scheinheilig beklagt die NRA die Gewaltkultur oder verweist auf psychische Störungen bei den Tätern. Nichts von dem überzeugt, wie ein internationaler Vergleich zeigt. Läge es zum Beispiel an der Gewaltkultur, müssten in Japan die Toten auf der Straße liegen - so beliebt sind dort brutale Ballerspiele. Tatsächlich gibt es dort dank lückenloser Kontrollen so gut wie keine Opfer von Schusswaffen. Es scheint, als sei das Weiße Haus diesmal entschlossen, die Waffenlobby herauszufordern. Es wird höchste Zeit, sich von der NRA nicht länger die Pistole auf die Stirn setzen zu lassen. Obama muss deshalb handeln, solange die Betroffenheit über die toten Kinder noch nicht verschwunden ist.

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