Was hinter Fidels Spott über Obama steckt

Havanna · Ende der Eiszeit? Nach der Charme-Offensive von US-Präsident Obama im sozialistischen Havanna meldet sich ein alter Kritiker zu Wort. Revolutionsführer Fidel Castro sagt unverblümt, was er von dem Besuch hält.

Es war eine Mischung aus historischer Lehrstunde, Spott und Kritik, die Fidel Castro über Barack Obama ausgoss. Unerwartet war der Zeitpunkt und überraschend die Härte der Kritik, und unweigerlich fragt man sich: Was hat es zu bedeuten, wenn der Revolutionsführer im Ruhestand rund eine Woche nach dem geschichtsträchtigen Besuch des US-Präsidenten auf Kuba diesen in einem langen Essay in den Staatsmedien verspottet?

Die zentrale Aussage der Fidelschen Worte: Die neue Nähe zum großen Nachbarn und früheren Erzfeind ist der falsche Weg. "Wir brauchen keine Geschenke vom Imperium," versicherte Castro. "Dank der Anstrengungen und der Intelligenz unseres Volkes sind wir fähig, Lebensmittel und die materiellen Reichtümer zu produzieren, die wir brauchen." Allein, da irrt Castro. Denn ohne massive Nahrungsmittelimporte und die Hilfe des befreundeten Venezuela könnte die kommunistisch regierte Karibikinsel ihre Bevölkerung kaum satt bekommen.

Man kann das Schreiben lesen wie eine Abrechnung mit der rasanten Annäherungspolitik seines Bruders Raúl, der seit bald zehn Jahren in Kuba die Amtsgeschäfte führt. Oder auch als ideologisches Vermächtnis von Fidel. Während der großen Mehrzahl seiner 48 Jahre an der Macht auf Kuba war er immer ein entschiedener Gegner der USA, die oft genug mit Gewalt versucht haben, ihn selbst und seine Regierung zu stürzen. 638 Mal sei ihm nach dem Leben getrachtet worden, behauptet Castro. Die große Mehrzahl der Mordversuche habe der US-Geheimdienst CIA ausgeheckt.

Besonders lustig machte sich Fidel in seinem Schreiben über die zentrale Rede des US-Präsidenten im "Gran Teatro", bei der dieser beide Staaten dazu aufforderte, nach vorne zu schauen und die Vergangenheit ruhen zu lassen. Castro nannte Obamas Worte "honigsüß". Dabei riskiere man, "einen Infarkt zu erleiden".

Castro, der im August 90 Jahre alt wird, ist sich all die langen Jahre treu geblieben. Für ihn wie Millionen seiner Landsleute ist es schwer, einfach auf Annäherung zu schalten, wenn man ein halbes Jahrhundert unter Wirtschaftsembargo und politischer Destabilisierung gelitten hat. Made in USA. Insofern kann man seine Position verstehen, auch wenn sie nicht zukunftsträchtig ist. Seit seinem erzwungenen Rücktritt wegen einer Darmerkrankung im Juli 2006 ist aus dem Revolutionsführer ein Revolutionswächter geworden, eine Art moralische Instanz, die aus dem Hintergrund darüber wacht, dass Bruder Raúl Kuba nicht zu radikal auf Kapitalismus trimmt.

Nun sitzt Fidel auf seinem Altersruhesitz, trifft den Papst, Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro und andere wichtige Menschen, wenn es ihm gut geht. Mit Obama kam es zu keinem Treffen. Man weiß jetzt auch, warum.

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