Warum Taiwan das bessere China ist

Peking/Taipeh. Der Aufstieg Chinas zur Wirtschaftsmacht lässt häufig die Frage aufkommen: Sind autoritäre Entwicklungsmodelle in Asien den demokratischen Systemen wie unseren überlegen? Um die Antwort vorweg zu nehmen: Nein

 Kundengespräch in einem Elektrogeschäft in Taipeh. Einer Studie zufolge ist Taiwan nicht nur ökonomisch erfolgreicher als der große Nachbar China, sondern auch politisch stabiler. Foto: dpa

Kundengespräch in einem Elektrogeschäft in Taipeh. Einer Studie zufolge ist Taiwan nicht nur ökonomisch erfolgreicher als der große Nachbar China, sondern auch politisch stabiler. Foto: dpa

Peking/Taipeh. Der Aufstieg Chinas zur Wirtschaftsmacht lässt häufig die Frage aufkommen: Sind autoritäre Entwicklungsmodelle in Asien den demokratischen Systemen wie unseren überlegen? Um die Antwort vorweg zu nehmen: Nein. Die These, autokratische Systeme böten bessere Rahmenbedingungen, entpuppe sich als "Mythos", stellt der diesjährige Transformationsindex der Bertelsmann-Stiftung über die Entwicklung in Asien fest. In allen Bereichen erzielten Demokratien "im Durchschnitt höhere Werte als die autokratisch regierten Staaten".Bestes Beispiel seien die beiden Chinas, die kommunistische Volksrepublik und das demokratische Taiwan. Die Inselrepublik ist laut Studie ein "geglückter Gegenentwurf" zu China und damit sogar Spitzenreiter in Asien. Taiwan sei nicht nur ökonomisch erfolgreicher, sondern auch politisch stabiler. Die Wahlen sind frei und fair. Es gibt Presse- und Meinungsfreiheit. Die Zivilgesellschaft ist lebendig. Die Taiwanesen sind stolz auf die selbst erkämpfte Demokratie, erweisen sich als selbstbewusst und tolerant im Umgang mit anderen Meinungen. "Das sind zunehmend die Auswirkungen einer offenen Gesellschaft auf die Menschen", sagt der Politik-Professor Kwei-Bo Huang von der National Chengchi Universität in Taipeh in einer Reaktion auf die Studie. Danach herrscht in Taiwan ein hohes Maß an sozialer Gerechtigkeit. Auch die Justiz bekommt allgemein gute Noten. Machtmissbrauch und Korruption werden geahndet.

Zwar beeindruckt auch die "Rotchina AG" mit robustem Wachstum. Doch wer soziale, ordnungspolitische und ökologische Komponenten in China betrachtet, "erkennt deutliche Defizite und strukturelle Verletzlichkeiten", heißt es in der Studie. Die Probleme werden in Peking eingeräumt. Regierungschef Wen Jiabao nennt Chinas Entwicklung "unausgeglichen, unkoordiniert und nicht aufrechtzuerhalten". Ungerechte Verteilung, mangelnde Glaubwürdigkeit und die Korruption machten es notwendig, auch "politische Reformen" einzuleiten. Sonst könnte China in ein Chaos "wie in der Kulturrevolution" stürzen.

Wen Jiabao meinte aber keineswegs demokratische Reformen westlichen Stils, sondern eine Stärkung der "Führungssysteme von Partei und Staat". Die Lernfähigkeit in China beschränke sich auf die Sozial- und Wirtschaftspolitik, reiche jedoch nicht für demokratische Reformen, heißt es in der Studie. Ein-Parteien-Diktaturen fehlen Institutionen für Integration, Konsensfindung und Partizipation. Menschenrechtsverletzungen und Beamtenwillkür gehören in China zum Alltag. Die Einkommensschere klafft zunehmend auseinander. Trotz wirtschaftlicher Erfolge gelten 130 Millionen Menschen als arm. Das bisher blinde Wachstum erzeuge ernste Verzerrungen, wird in der Studie festgestellt. Es gebe Konflikte im Volk. Einige Gruppen hätten angemessene Einkommen und Lebensbedingungen sowie Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung, andere aber nicht: "Die chinesische Gesellschaft droht, an diesen sozialen Bruchstellen auseinanderzufallen."

In der Wirtschaft hat China dankbar westliche Führungsmethoden übernommen. Doch ein stärker demokratisches Management der Gesellschaft wird als "unchinesisch" verteufelt - weil es das Machtmonopol der Partei in Frage stellt. Die Autokratie steht aber der Entwicklung im Wege: "Der zukünftige Fortschritt des Landes wird in nicht geringem Maße davon abhängen, ob die Institutionalisierung von Rechtsstaat und die Trennung von Partei und Staatsinstitutionen weiter vorangetrieben wird - also ob die Kommunistische Partei Chinas ihr politisches System für Konkurrenz in einem ähnlichen Maße öffnen wird, wie sie dies bereits im Wirtschaftsbereich getan hat." Auch der Staatskapitalismus, der im Westen oft bewundert wird, ist eher eine Gefahr. "Der Staatskapitalismus neigt dazu, hohe Profite auf Kosten der Allgemeinheit anzustreben", sagt Professor Huang. Der echte Wettbewerb ersticke. Fortschritt und Innovation blieben auf der Strecke.

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