Türkische Gelder für den Iran Warum ein Prozess in New York Ankara nervös macht

New York · Der Fall hat das Zeug zum Politthriller, es geht um Öl, Schmiergeld, den Iran: Im Zentrum steht ein Geschäftsmann mit Kontakten zu Präsident Erdogan.

 Der Türke Reza Zarrab soll die Seiten gewechselt haben – vom Angeklagten zum Zeugen der USA.

Der Türke Reza Zarrab soll die Seiten gewechselt haben – vom Angeklagten zum Zeugen der USA.

Foto: dpa/Str

(dpa) Als Reza Zarrab am 19. März 2016 nach Miami flog, wollte der türkisch-iranische Goldhändler mit seiner Familie Disney World besuchen. Stattdessen klickten nach der Landung die Handschellen – Zarrab wurde festgenommen. Glaubt man der US-Staatsanwaltschaft, ist Zarrabs Reichtum, der in der Türkei legendär ist, auch fragwürdigen Geschäften geschuldet: Geschäften, mit denen er Sanktionen gegen den Iran unterlaufen und gegen US-Recht verstoßen hat. Der 34-Jährige steht im Zentrum eines Prozesses, der gestern in New York begonnen hat – und der so viel politischen Sprengstoff birgt, dass er in Ankara für hochgradige Unruhe sorgt.

Diese Unruhe wurde noch einmal verstärkt, als tags zuvor die Jury für das Verfahren ausgewählt wurde – und der Richter dabei deutlich machte, das Zarrab nicht mehr zu den ursprünglich neun Angeklagten gehört. Vermutet wurde, dass Zarrab in einen Deal eingewilligt habe und als Belastungszeuge auftreten könnte. Dann säße der frühere Vizechef der staatlichen Halkbank, Mehmet Hakan Atilla, in dem Gerichtssaal in New York alleine auf der Anklagebank. Alle anderen Beschuldigten sind im Ausland. Atilla wurde rund ein Jahr nach Zarrab in den USA festgenommen.

Zu den Angeklagten gehört auch Mehmet Zafer Caglayan, der bis Ende 2013 unter dem damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Staatschef Recep Tayyip Erdogan Wirtschaftsminister war. In der Anklageschrift heißt es: „Während seiner Zeit als Wirtschaftsminister hat Caglayan Bestechungsgelder in Millionenhöhe von den Erlösen aus dem Komplott erhalten.“ Ziel sei gewesen, „der Regierung des Irans Dienstleistungen zu erbringen und diese Dienstleistungen gegenüber US-Regulierungsbehörden zu verschleiern“. Die Staatsanwaltschaft zitiert auch aus einem Schreiben Zarrabs an die iranische Führung, in der er seine Dienste im „ökonomischen Dschihad“ gegen den „Imperialismus“ anbietet. Dafür soll Zarrab mit Hilfe von Halkbank-Managern iranisches Öl gegen Gold gehandelt und Geschäfte mit fingierten Hilfslieferungen gemacht haben. Die Regierung in Teheran soll so mit Geld versorgt worden sein, und zwar unter illegaler Nutzung des US-Finanzsystems.

Neben strafrechtlichen Konsequenzen für die Angeklagten könnte der Halkbank eine empfindliche Geldbuße drohen. 2014 musste die französische BNP unter anderem wegen Verstoßes gegen Iran-Sanktionen 9 Milliarden Dollar zahlen. Das Verfahren droht aber nicht nur die türkische Wirtschaft zu belasten, sondern auch die bereits angespannten politischen Beziehungen zu den USA. Die Regierung in Ankara feuert aus allen Rohren, um den Prozess zu diskreditieren, den sie für „eine klare Verschwörung gegen die Türkei“ hält.  Vize-Ministerpräsident Bekir Bozdag sagte dem Sender Kanal24: „Es ist ein absolut politischer Prozess.“ Eigentliches Ziel sei es, die Türkei als „Sanktionsbrecher“ zu verunglimpfen und Strafmaßnahmen gegen sie zu verhängen. „Und durch diese Sanktionen soll die Wirtschaft der Türkei zusammenbrechen.“ Bozdag führt die mögliche Wandlung Zarrabs vom Angeklagten zum Zeugen der Anklage auf Druck zurück – und erklärt das US-System so: „Entweder bleibst du im Gefängnis, bis du stirbst, oder du setzt deine Unterschrift unter das, was wir gesagt haben, und du gehst“, so Bozdag. „Er wird also nicht zum Geständnis gezwungen, sondern zur Verleumdung.“

Und wer hinter all dem steckt, ist für die Türkei klar: die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen. Ihn macht Erdogan für den Putschversuch 2016 verantwortlich. Gülen habe die Ermittlungen in Polizei und Justiz lanciert, um Erdogan zu stürzen. Diesmal wird das sogar nicht mal von der Opposition bezweifelt. Dass die Korruptionsvorwürfe deshalb haltlos sind, teilt sie aber nicht.

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