Warum die SPD Edathy nicht so einfach rauswerfen kann

Berlin · SPD-Chef Sigmar Gabriel hat sich schon weit vorgelehnt: Er will Sebastian Edathy aus der Partei werfen. Doch nicht alle unterstützen das – und ein Ausschluss ist schneller gefordert als auch erreicht.

Für Sigmar Gabriel ist der Fall klar: Dass Sebastian Edathy Nacktfotos von Kindern erworben hat, "passt nicht zur SPD". Und zwar "unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz", wie der Parteichef in einer E-Mail an alle Mitglieder schrieb. Am Montag hatte der Parteivorstand deshalb beschlossen, Edathys Mitgliedsrechte ruhen zu lassen. Gabriels Ziel ist der Parteiausschluss.

Längst nicht alle in der SPD sind darüber jedoch glücklich. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil etwa hält die Sache für übereilt. "Ich halte generell nicht viel davon, erst mal mit Vorschlägen hervorzutreten und sich dann erst anzuschauen, ob diese notwendig sind", ließ er gestern wissen. Auch in den Gremien der Fraktion soll es Kritik an Gabriels Vorgehen gegeben haben. Manche meinen, dass Edathy ohnehin tief gestürzt sei und sich womöglich etwas antun könne. Andere befürchten einen quälend langen Rechtsstreit mit unrühmlichem Ausgang.

Denn die Hürden für einen Parteiausschluss sind hoch. Das belegt der Fall Thilo Sarrazin. Auch da hatte Gabriel forsch den Rauswurf verlangt, weil sich Sarrazins Äußerungen über Zuwanderer und Bedürftige nicht mit den Werten der SPD vertrügen. Das Ausschlussverfahren zog sich über ein Jahr hin. Doch 2011 triumphierte Sarrazin, weil seine Berufung auf die Meinungsfreiheit schwerer wog als die politische Linie der Partei. Sarrazin ist bis heute SPD-Mitglied. Auch der einstige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement lag mit seiner Partei über Kreuz, als er 2008 öffentlich von der Wahl der SPD beim Urnengang in Hessen abriet. Für einen Parteiausschluss reichte es trotzdem nicht. Am Ende verließ Clement die SPD freiwillig.

Denkbar wäre, dass Edathy genauso handelt. Wenn nicht, ist der Rechtsstreit programmiert. Durch den Beschluss zur ruhenden Mitgliedschaft wird nämlich automatisch ein Parteiordnungsverfahren in Gang gesetzt. Doch in der Schiedsordnung der SPD findet sich ein Passus, wonach die Schiedskommission das Verfahren ruhen lassen kann, wenn eine "wesentliche Frage des Streitfalls Gegenstand eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens ist". Da die Staatsanwaltschaft Hannover aktuell gegen Edathy wegen des Verdachts auf Besitz von Kinderpornografie ermittelt, wird die Schiedskommission also erst einmal das Ergebnis abwarten. Sollte sich Edathy strafbar gemacht haben, wäre ein Parteiausschluss zweifellos leichter durchzusetzen. Wenn nicht, bliebe einzig die moralische Bewertung der Frage übrig, ob sich ein SPD-Mitglied Bilder von nackten Kindern kaufen darf, auch wenn es sich nicht um strafbare Kinderpornografie handelt.

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