Warum die Saar-Uni stolz sein kann

Saarbrücken. Prüfungsstress - darunter leiden nicht nur Studenten. Auch Uni-Professoren und -Präsidenten kann die Sorge um das Ergebnis eines Examens schlaflose Nächte bereiten. Das war einigen hochrangigen Besuchern, die am Freitagnachmittag mit blassem Gesicht und schwitzenden Händen vor dem Günter-Hotz-Hörsaal auf dem Saarbrücker Campus zusammenstanden, deutlich anzusehen

 Die Saarbrücker Professoren Raimund Seidel (links) und Hans-Peter Seidel (rechts) leiten die beiden Exzellenz-Zentren der Universität des Saarlandes. Den (nicht miteinander verwandten) Namensvettern gratulierte am Freitag Uni-Präsident Volker Linneweber. Foto: Dietze

Die Saarbrücker Professoren Raimund Seidel (links) und Hans-Peter Seidel (rechts) leiten die beiden Exzellenz-Zentren der Universität des Saarlandes. Den (nicht miteinander verwandten) Namensvettern gratulierte am Freitag Uni-Präsident Volker Linneweber. Foto: Dietze

Saarbrücken. Prüfungsstress - darunter leiden nicht nur Studenten. Auch Uni-Professoren und -Präsidenten kann die Sorge um das Ergebnis eines Examens schlaflose Nächte bereiten. Das war einigen hochrangigen Besuchern, die am Freitagnachmittag mit blassem Gesicht und schwitzenden Händen vor dem Günter-Hotz-Hörsaal auf dem Saarbrücker Campus zusammenstanden, deutlich anzusehen. Der Hörsaal galt inoffiziell als Treffpunkt einer "Party", von der niemand so recht wusste, ob sie nicht als Trauerfeier enden würde.Die Hundertschaft Informatiker wartete hoch angespannt auf das Ergebnis einer Prüfung, von der nicht nur für sie, sondern auch für ihre Hochschule die Zukunft abhängen würde. Schafft es die Saar-Universität auch in der zweiten Runde der Exzellenzinitiative? "Ja", lautete kurz vor 15 Uhr schließlich die Antwort, die Uni-Präsident Volker Linneweber von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Bonn durchtelefoniert wurde. Die Uni bringt beide Anträge, Exzellenzcluster und Graduiertenschule, auch in der zweiten Runde des wichtigsten deutschen Wissenschaftswettbewerbs ins Ziel. "Das ist phantastisch - wow!", freute sich ein stolzer Linneweber unter donnerndem Applaus. Die Saar-Uni darf sich damit auch weiterhin zur Elite der 379 Hochschulen der Bundesrepublik zählen.

"Multimodal Computing and Interaction" heißt der von Professor Hans-Peter Seidel geleitete Exzellenzcluster, der nun für weitere fünf Jahre mit rund 39 Millionen Euro gefördert wird. 100 Wissenschaftler entwickeln in dem erstmals 2007 ausgezeichneten Saarbrücker Forschungsverbund Verfahren, die es einem Computer erlauben sollen, wie ein Mensch zu kommunizieren. Die Informatiker wollen Techniken der Bildanalyse und der Bildsynthese entwickeln, mit denen ein Computerprogramm den Inhalt von Fotos und Filmen erkennen und solche Bilder auch gezielt verändern und erzeugen kann, so der Forscher des Max-Planck-Instituts für Informatik. Der Computer soll auch im Umgang mit Sprache besser werden. Internet-Suchmaschinen der nächsten Generation sollen nicht mehr nur tumbe Webschnüffler sein, die stur wie Roboter Buchstabenfolgen auf möglichst vielen Webseiten suchen. Sie sollen den Sinn gesprochener und geschriebener Texte verstehen und die Absicht des Absenders einer Suchanfrage erkennen. Dafür sind neue Verfahren des maschinellen Lernens nötig, die sich stärker am menschlichen Wissenserwerb orientieren. Sogenannte Ontologien werden Computern Wissen über die Welt zugänglich machen, so Seidel. Damit Kollege Computer bei seinen menschlichen Benutzern besser ankommt, werden unter der Überschrift "Information und Interaktion" Techniken entwickelt, die es virtuellen Charakteren ermöglichen, wie Menschen zu kommunizieren. Und schließlich sollen Verfahren des Datenschutzes entwickelt werden, um persönliche Informationen in dieser neuen Computerwelt unter Kontrolle halten zu können.

Insgesamt 20 von DFG geförderte Arbeitsgruppen mit 100 Mitarbeitern sollen an diesen Aufgaben arbeiten. Zusätzlich sind zehn weitere Forschergruppen geplant. Der Saarbrücker Exzellenzcluster gilt mittlerweile als Durchlauferhitzer für eine Informatik-Karriere. Bisher sind 54 leitende Wissenschaftler aus dem Cluster heraus auf Professuren berufen worden, so Hans-Peter Seidel.

Professor Raimund Seidel ist Sprecher der Saarbrücker Graduiertenschule, die 2007 ebenfalls in der ersten Runde der Exzellenzinitiative erfolgreich war und nun für weitere fünf Jahre bestätigt wurde. Das ist mit einer Förderung in Höhe von sechs Millionen Euro verbunden. "Wir wollen zu den zehn besten Informatik-Promotionsprogrammen weltweit werden", erklärte der Professor für Theoretische Informatik. Und dazu gehöre es, besonders talentierte Studenten aus aller Welt nach Saarbrücken zu holen, die sonst eher dem Lockruf großer Hochschulen in Cambridge, Princeton oder Zürich folgen. Der Saarbrücker Graduiertenschule gelingt das mit einem im US-Hochschulsystem verbreiteten, in Deutschland aber fast unbekannten Karrieremodus für Hochbegabte. Sie können sich als Informatik-Bachelor an der Saar-Uni direkt in einem Promotionsstudiengang einschreiben. Das Modell ist bereits sehr erfolgreich. Die Graduiertenschule betreut derzeit 340 der knapp 1500 Informatik-Studenten in Saarbrücken.

Hintergrund

Die Exzellenzinitiative ist ein milliardenschweres staatliches Förderprogramm zum Ausbau der Spitzenforschung an deutschen Universitäten. In der Bund-Länder-Initiative wurden in einer ersten Phase von 2006 bis 2011 rund 1,9 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Von 2012 bis 2017 stehen in der zweiten Runde weitere 2,7 Milliarden Euro bereit. Die Mittel werden zu 75 Prozent vom Bund und zu 25 Prozent von den jeweiligen Ländern beigesteuert. Die Universitäten konnten sich in drei Förderlinien bewerben: um Promotionsprogramme (Graduiertenschulen), um fachübergreifende Forschungsverbunde verschiedener Wissenschaftsdisziplinen (Exzellenzcluster) und um fächerübergreifende Zukunftskonzepte. Mit einem Versuch in dieser Förderlinie hatte die Saar-Uni 2011 keinen Erfolg. Bereits geförderte Unis konnten sich in der zweiten Runde wieder bewerben. dpa

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