EU-Urheberrechtsreform Strg + C Strg + V

<img class="rteClosedtag" title="&lt;cColor:Paper&gt;" src="/image/icon_closedtag_mini.gif">BERLIN/BRÜSSEL<img class="rteClosedtag" title="&lt;cColor:&gt;" src="/image/icon_closedtag_mini.gif"> · Steuerung C, Steuerung V – Kopieren und Einfügen: Dass man im Netz nicht einfach alles uneingeschränkt abpinseln darf, ist bekannt. Doch jetzt will die EU mit einer Urheberrechts-Reform Plattformen wie Google und Youtube weiter beschränken. Kritiker warnen vor Filtern und Zensur. Die beliebte Enzyklopädie Wikipedia ging gestern aus Protest mit pechschwarzem Hintergrund offline.

(SZ/dpa) Schwarz war alles. Weiß auf Schwarz. Wer gestern versucht hat, auf seinem Computer die deutsche Webversion von Wikipedia aufzurufen, landete auf einer Protestseite. Die Aktion war schon länger geplant – und kommt nicht von ungefähr: Sie richtet sich gegen die EU-Urheberrechtsreform, über die am Dienstag das Europaparlament abstimmen will. Das Internet-Lexikon greift zu einer drastischen und ungewohnten Maßnahme, weil aus Sicht einiger seiner Macher – nur 146 der 4931 abstimmungsberechtigten Wikipedia-Autoren sprachen sich ausdrücklich für die Protestaktion aus – nichts Geringeres auf dem Spiel steht als die Freiheit im World Wide Web.

Aber worum geht es genau? Der aktuelle Reformvorschlag zielt darauf ab, die Rechte von Autoren, Künstlern, Musikern und Videofilmern gegenüber digitalen Plattformen zu stärken. Strengere Regeln sollen dazu beitragen, dass die Kreativen an den Anzeigenerlösen von Google und Co. beteiligt werden.

Der große Streit zwischen Gegnern und Befürwortern entzündet sich vor allem an Artikel 13, in dem es um die Haftung von Online-Plattformen für Urheberrechtsverletzungen geht – und um die Frage, ob die Vorgaben nur mit sogenannten Upload-Filtern umgesetzt werden können. Als Upload-Filter bezeichnet man Software, die Texte, Musik und Bilder bereits beim Hochladen auf eine Webseite automatisch danach überprüft, ob diese urheberrechtlich geschützt sind – um sie dann entsprechend zu blockieren. Artikel 13 schreibt Plattformen wie Youtube vor, „alles ihnen Mögliche“ zu tun, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Kritiker wenden ein, dass dies nur mit dem Einsatz von Upload-Filtern möglich sei. 

Wird die Abstimmung am Artikel 13 scheitern? Schon länger kursieren im Netz Protest-Videos. Dort heißt es etwa, das Internet sei „so wie wir es kennen und in seinem Bestand“ gefährdet. Zudem laufe die EU-Gesetzgebung auf „Zensurmaschinen“ für das Internet hinaus. Tatsächlich sieht die Richtlinie vor, dass künftig die digitalen Plattformen dafür verantwortlich sind, wenn sie über ihre Seiten Nutzern Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten gewähren.

In diesen letzten Tagen vor der Abstimmung versuchen die Gegner der Reform, Druck auf die Europaabgeordneten auszuüben. Internetseiten fordern dazu auf, direkt in den Büros derjenigen Abgeordneten anzurufen, die noch nicht ihr „Nein“ angekündigt haben. Die Gegner haben es vor allem auf den Bonner CDU-Europaabgeordneten Axel Voss abgesehen, der als Verhandlungsführer seit Jahren für die Reform streitet. Rund um die Uhr, auch nachts steht das Telefon nicht still, der Anrufbeantworter wird zugetextet. Voss selbst wird im Netz übel beleidigt. In sozialen Medien ist letzte Woche eine Bombendrohung gegen sein Wahlkreis-Büro aufgetaucht. Die Spuren führen nach Finnland. Der Abgeordnete weist im Vorfeld darauf hin, dass es ohnehin für jedes Land Umsetzungsvorschriften geben werde. Heißt: Festgezurrt ist noch nichts.

Die Europaabgeordnete Julia Reda (Piraten), die im Parlament die profilierteste Gegnerin der Reform ist, twittert: „Die Auseinandersetzung über Artikel 13 wird sachlich hart geführt. Wo viel auf dem Spiel steht, kann es auch einmal emotional werden.“ 

Innerhalb der EU ist der Protest in Deutschland am größten. Morgen 23. März, sind in 25 deutschen und 14 europäischen Städten Demonstrationen gegen die Reform geplant. In Saarbrücken treffen sich Gegner um 14 Uhr am Tbilisser Platz, um durch die Innenstadt zu ziehen. Organisator ist die Piratenpartei Saarland.

Auch in Berlin, innerhalb der Koalition, ist der Druck groß. So schlägt die CDU nun vor, bei der Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht dafür zu sorgen, dass es „keine Upload-Filter“ gibt. Die Richtlinie selbst sieht sie im Text gar nicht vor. Doch Gegner befürchten, dass Plattformen wie Youtube solche technischen Einrichtungen dazwischenschalten müssen, wenn sie die Richtlinie umsetzen wollen.

Aber noch sind viele Fragen offen. Und nicht jeder kann die Protestaktion von Wikipedia nachvollziehen. Denn: Die Plattform ist in dem Text ausdrücklich von den Verschärfungen ausgenommen. Das gilt auch für andere nicht-kommerzielle Anbieter und Online-Enzyklopädien sowie für Open-source-Softwareplattformen wie GitHub. Auch kleine und junge Anbieter bleiben verschont. Junge Startups, die weniger als drei Jahre am Markt sind und weniger Umsatz machen als zehn Millionen Euro im Jahr, haben nicht mehr als bisher zu befürchten. Wenn sie mehr als fünf Millionen Nutzer im Monat haben, sind sie allerdings zu „größtmöglichen Anstrengungen“ verpflichtet, um das Herunterladen geschützter Inhalte zu verhindern.

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