Fußball-WM in Russland startet Vorhang auf für Putins Fußball-Bühne

Moskau · Russland hat sich rausgeputzt, die WM kann beginnen. Und der Präsident des Landes feilt bis zuletzt am Gastgeber-Image.

 Russland zeigt, was es hat: Im teuer sanierten Luschniki-Stadion in Moskau startet heute die Fußball-WM. Sie ist die teuerste der Geschichte; mit mehr als zehn Milliarden Euro Kosten.

Russland zeigt, was es hat: Im teuer sanierten Luschniki-Stadion in Moskau startet heute die Fußball-WM. Sie ist die teuerste der Geschichte; mit mehr als zehn Milliarden Euro Kosten.

Foto: dpa/Dmitry Serebryakov

Der Geruch frischer Farbe liegt in der Moskauer Luft. Ein Mitarbeiter der Stadt tunkt den Pinsel in einen Topf dunkelroter Farbe, mit ruhiger Hand malt er den von der Sonne verblassten Schriftzug am Metro-Eingang nach. Sein Kollege befreit mit einem Schwamm eine Statue vom Schmutz des rauen Alltags der russischen Hauptstadt. Die WM-Stadt Moskau ist auf Hochglanz poliert. Den Fußball-Fans aus aller Welt soll vom heutigen Anpfiff an eine moderne, saubere Stadt präsentiert werden. Alles ist bereit für die Eröffnung – auch der Chef der Stadt hat dazu beigetragen.

Bürgermeister Sergej Sobjanin hat Arbeitgebern in der Hauptstadt empfohlen, Mitarbeitern am Eröffnungstag freizugeben. Im September will sich der Stadtvater wieder wählen lassen. Doch das war nicht der einzige Grund, den Wählern eine unerwartete Freude zu bereiten. Wichtiger dürften verkehrs- und sicherheitstechnische Überlegungen gewesen sein. Je weniger sich auf der Straße abspielt, desto reibungsloser verlaufen die Feierlichkeiten.

Zwar hat sich Russland umfassend herausgeputzt. In den elf WM-Städten wurden die Stadien zum Teil komplett aus dem Boden gestampft, andere mussten WM-tauglich gemacht werden. Obdachlose und Bettler sollen aus den Stadtzentren vertrieben worden sein. Millionen Rubel flossen in Sicherheit und neue Straßen. Nun muss sich zeigen, ob die teuer ausgebaute Infrastruktur dem Ansturm der Fußballfans gewachsen ist. Um einem Verkehrschaos zu entgehen, sind viele Moskauer schon auf ihre Datscha geflüchtet. Taxis sind ausgebucht, die Metro überfüllt. Nicht alle freut der Rummel.

So etwa die Studenten der Moskauer Staatlichen Lomonossow Universität, auf deren Campus die Fifa die Fanmeile der WM einrichten durfte. Das aufwändig umgebaute, zentrale Luschniki-Stadion, das die Eröffnung und das Endspiel am 15. Juli beherbergen wird, liegt am Ende der Fanmeile. Es schmiegt sich malerisch in eine Schleife der Mos­kwa. Links grüßen die Wolkenkratzer der City. Bei gutem Wetter leuchten die Dächer des Kreml und der Christ-Erlöser-Kathedrale in der Ferne. Diesen Blick wollte die Fifa den Besuchern nicht vorenthalten.

„Das Problem ist aber, wir haben jetzt Prüfungen“, sagt Ilja, der 20-jährige Mathematikstudent. Seinen vollen Namen möchte er nicht nennen, weil die Studenten wegen ihres Protestes schon in die Mühlen der Sicherheitsapparate gerieten. Sie seien keine Fußballgegner, sagt Ilja, der Lärm störe einfach.

Fifa-Chef Gianni Infantino ist unterdessen vollauf zufrieden mit dem Gastgeber-Land. In der Umgebung des Präsidenten Wladimir Putin lächelte er zuletzt unentwegt; auch gestern, beim Fifa-Kongress in Moskau. Das werde die schönste und beste WM, verkündet der Schweizer. Moskau sei bereit für das Turnier. Der Kreml und die Fifa haben sich immer gut verstanden.

Der Kremlchef wird das Ereignis nutzen, um sein ramponiertes Image aufzubessern. Seit Vergabe der WM 2010 hat sich einiges angehäuft: Annexion der Krim, Besetzung der Ostukraine, Intervention auf Seiten Assads im Syrienkrieg, der Fall Skripal, vermutete Hackerangriffe, staatlich sanktioniertes Doping. Die Zeit ist günstig für Putin, während US-Präsident Donald Trump in Europa Zwietracht sät. Russland wird sich daher von seiner besten Seite zeigen. „Schaut her, was wir alles auf die Beine stellen können“, laute das Signal in die Welt, meint der in Russland geborene Sporthistoriker Peter Kaiser. Darum ginge es Putin vor allem. Die Eigenwerbung hat sich der Präsident mehr als zehn Milliarden Euro kosten lassen – die erste Fußball-WM in Russland ist die teuerste WM der Geschichte. Es ist auch ein Mittel, die eigene Klientel zu begünstigen und politische Gefolgschaft zu sichern.

Kritik daran wird erstickt. So ist es wohl kein Zufall, dass der Antikorruptionskämpfer und Putin-Herausforderer Alexej Nawalny zurzeit in einer mehrwöchigen Haft sitzt – wegen einer vermeintlichen Ordnungswidrigkeit. Der zuletzt formschwachen russischen Nationalelf begegnete der Kremlchef indes mit Nachsicht: Es gehe nicht um Sieg. Nur ums Dabeisein.

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