Gelbwesten-Wochenende Von Paris bis Stuttgart – die gelben Proteste greifen um sich

Paris/Stuttgart · Demonstranten in Warnwesten gab es diesmal nicht nur in Frankreich, sondern auch im Ländle. Ihr Nein zu Fahrverboten alarmiert den Bundesverkehrsminister.

 In Marseille legte sich ein Gelbwesten-Anhänger auf die Straße, um der Verletzten durch „Polizeigewalt“ bei den Protesten zu gedenken.

In Marseille legte sich ein Gelbwesten-Anhänger auf die Straße, um der Verletzten durch „Polizeigewalt“ bei den Protesten zu gedenken.

Foto: dpa/Claude Paris

(SZ/dpa) Die Stimmung auf dem Place Félix Eboué in Paris ist angespannt. „Ich bin nicht sicher, was heute passieren wird“, sagt ein junger Mann, der ein Anti-Macron-Plakat in den grauen Himmel reckt. Rund 5000 Gelbwesten haben sich am Samstag auf dem Platz versammelt, um zum zwölften Mal gegen die Politik der französischen Regierung zu demonstrieren. Mittendrin stehen rund 100 schwarz vermummte Gestalten und brüllen: „Siamo tutti anitfascisti!“ (Italienisch für: „Wir sind alle Antifaschisten“). Ein Ordner der „Gelbwesten“-Bewegung drängelt sich energisch in Richtung des schwarzen Blocks und gibt eine klare Anweisung: „Keine Gewalt!“

An diesem neuen Protest-Wochenende machten die Demonstranten vor allem auf das Schicksal der Menschen aufmerksam, die bei den zum Teil gewaltsamen Protesten verletzt wurden – nach offiziellen Zahlen rund 1700 Demonstranten und 1000 Polizisten. Die Kritik richtet sich vor allem gegen den Einsatz von Hartgummigeschossen, eine sogenannte nicht-tödliche Waffe, die aussieht wie ein Gewehr und mit einem Zielfernrohr ausgestattet ist. In Deutschland werden sie nur von Spezialkommandos in Hessen und Sachsen eingesetzt – auch bei den Ausschreitungen auf dem G20-Gipfel in Hamburg kamen sie zum Einsatz. Schießen dürfen die Polizisten nur auf Körper und Beine, dennoch ist es durch die Geschosse in Frankreich immer wieder zu schweren Kopf- und Augenverletzungen bei Demonstranten gekommen.

Frankreichs Innenminister Christophe Castaner verteidigte den Einsatz der Geschosse als notwendigen Schutz der Sicherheitskräfte. Zugleich kündigte er an, „Missbräuche“ durch die Polizei zu ahnden. Die Stimmung bei den Demonstranten angeheizt hatte das Urteil des Pariser Stadtrates als oberstes Verwaltungsgericht, das den Einsatz der Hartgummimunition mit dem Verweis auf die Gewalt bei den Protesten ausdrücklich erlaubte.

Als sich der Protestzug gegen Mittag am Place Félix Eboué schließlich in Bewegung setzt, tragen viele in der Menge Augenbinden, um gegen diese Entscheidung zu demonstrieren. Immer wieder branden auf dem Marsch durch die Avenue Daumesnil Sprechchöre auf, in denen Präsident Emmanuel Macron zum Rücktritt aufgefordert und seine Politik verhöhnt wird. Menschen, die neugierig aus den Fenstern auf den Zug der Gelbwesten starren, werden lautstark aufgefordert, sich anzuschließen. Und schließlich immer wieder die Forderung nach Stärkung der Kaufkraft der Franzosen, niedrigeren Steuern und höheren Renten.

Nach Angaben der Organisatoren nahmen wieder mehrere zehntausend Menschen an den Protesten teil, allein 10 000 sollen es in Paris gewesen sein. „Wir geben nicht auf“, rief der verletzte Gelbwesten-Anführer Jérôme Rodrigues dort. Die Menge skandierte: „Emmanuel Macron, wir kommen zu Dir nach Hause!“

Es sind Szenen wie diese, die auch die deutsche Politik offenbar zunehmend ängstigt. Nicht aber Paris, sondern Stuttgart bot am Wochenende Anlass für besorgte Äußerungen aus der CSU. In der Auto-Metropole gingen am Samstag gut 870 Menschen gegen Diesel-Fahrverbote auf die Straße – etwa die Hälfte erschien in gelben Warnwesten.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) reagierte alarmiert. Angesichts von Diesel-Fahrverboten bestehe die Gefahr, dass es bald Massenproteste frustrierter Autofahrer geben könnte, sagte er. Auch bei den Gelbwesten in Frankreich hatte es mit Protest gegen Spritsteuern und Tempolimits angefangen. Scheuer fürchtet einen Nachahmer-Effekt: „Das ist genau die Sorge, die ich habe. Im politischen Berlin ergötzen sich alle an Diskussionen, die oft nichts mit der Lebenswirklichkeit der Menschen außerhalb der Hauptstadt zu tun haben. Die Bürger sind darüber echt verärgert – und stehen auf.“ Sie wollten, dass die Politik das Klima schütze und die Luft rein halte, „allerdings nicht mit Fahrverboten, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Steuererhöhungen“. Die Kommunen rief er auf, sich gegen gerichtlich angeordnete Fahrverbote „mit allen juristischen Mitteln zur Wehr zu setzen“. Auch CSU-Chef Markus Söder kritisierte die Fahrverbote und sprach von unsachlichen Debatten um Schadstoff-Grenzwerte.

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