Interview mit Chef der Völklinger Anlage „Jede große Stadt braucht eine Fischzucht“

Völklingen · Der Chef der Völklinger Meeresfischzucht erklärt, warum das einstige Pleite-Unternehmen der Stadt ein Erfolgsmodell werden kann.

 Peter Zeller am Rande eines der Becken, in denen Wolfsbarsch, Dorade und Kingfish aufwachsen. Zwei der vier Fischpools sind bereits umgebaut. Die übrigen sollen noch in diesem Jahr auf den modernsten Stand gebracht werden.

Peter Zeller am Rande eines der Becken, in denen Wolfsbarsch, Dorade und Kingfish aufwachsen. Zwei der vier Fischpools sind bereits umgebaut. Die übrigen sollen noch in diesem Jahr auf den modernsten Stand gebracht werden.

Foto: Rich Serra

Sie galt als das Pleite-Projekt des Saarlandes. Rund 30 Millionen Euro hat die Stadt Völklingen in das Projekt Meeresfischzucht gesteckt – und ist damit krachend gescheitert. Seit drei Jahren führt eine Schweizer Investorengruppe die Zuchtanlage – und sieht diese als innovatives Projekt, das weltweit Beachtung finden wird. Geschäftsführer Peter Zeller erklärt, warum das so ist.

Herr Zeller, Sie haben gerade in Abu Dhabi mit der Völklinger Meeresfischzucht einen Innovationspreis gewonnen. Was macht die Anlage so einzigartig?

ZELLER Wir haben es mit der Anlage geschafft, eine Salzwasser-Fischfarm ohne Anschluss ans Meer zu realisieren und diese auch noch industriell so zu betreiben, dass sie sich mittelfristig trägt. Das ist ein hoch innovatives Projekt, das von der ganzen Welt mit großem Interesse beobachtet wird.

Sie betreiben die Anlage jetzt seit knapp drei Jahren. Verdienen Sie bereits Geld mit der Fischzucht?

ZELLER Wenn die Frage ist, ob wir Gewinn machen, lautet die Antwort ganz klar: Nein. Aber wir sind auf unserem geplanten Weg gut unterwegs. Wir sind durch mehrere Phasen gegangen: eine Chaos-Phase, eine Selbstfindungs-Phase, dann die Rappel-Dich-Auf-Phase und jetzt die Produktions-Phase. Wir haben vieles an der Anlage technisch überarbeitet und gehen jetzt in die Phase, in der wir mit zunehmendem Produktionsvolumen an den Markt gehen können.

Wie viel Fisch haben Sie denn im vergangenen Jahr verkaufen können?

ZELLER Wir hatten im vergangenen Jahr eine Größenordnung von 100 Tonnen. Aber im vergangenen Jahr hatten wir auch die besondere Situation, dass die Fische, die wir noch übernommen hatten, ausverkauft waren. Und die neuen Fische, die wir selber eingesetzt haben, kamen dann erst im Laufe des Sommers in den Verkauf. Das wussten wir zwar schon im Voraus, aber in so einer Situation schläft man nicht gut. Seit Dezember haben wir alle drei Fischsorten in einer kontinuierlichen Produktion.

 Der Geschäftsführer der Fresh Völklingen GmbH im Interview mit den SZ-Redakteuren Jana Freiberger und Joachim Wollschläger.

Der Geschäftsführer der Fresh Völklingen GmbH im Interview mit den SZ-Redakteuren Jana Freiberger und Joachim Wollschläger.

Foto: Rich Serra

Was heißt das für das laufende Jahr?

ZELLER In diesem Jahr rechnen wir mit einer Produktion von 150 bis 200 Tonnen.

Und ab wann verdienen Sie Geld?

ZELLER Operativ trägt sich die Anlage ab einer Menge von 20 Tonnen pro Monat. Die werden wir vielleicht Ende des Jahres erreichen. Das hängt aber von den technischen Umbauarbeiten ab. Zwei der vier Fischpools sind umgebaut und funktionieren jetzt viel besser. Nach diesem Muster bauen wir nun in den kommenden Wochen auch die übrigen zwei Pools um.

Das heißt?

ZELLER Gerade weil die Anlage einzigartig ist, haben wir hier auch komplett neue Technik im Einsatz. Und viele Schwachstellen haben sich erst im laufenden Betrieb gezeigt. Die ersten zwei Jahre haben wir deshalb Becken stillgelegt und umgebaut, haben das Energiesystem und die Lüftung überarbeitet. Letztlich ist es ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess. Der dann auch dazu führt, dass sich die Anlage am Ende eben auch trägt.

Sie haben die Anlage von der Stadt Völklingen letztlich zu einem sehr günstigen Preis bekommen. Während die Stadt einen zweistelligen Millionenbetrag abschreiben musste, haben Sie nur rund drei Millionen gezahlt. Würde sich die Fischzucht auch zum vollen Preis lohnen?

ZELLER Wir haben auch selber sehr viel Geld in die Anlage gesteckt. Alle Lernschritte, die wir gegangen sind, sind teuer. Wenn künftig eine Anlage ohne all die Fehler gebaut werden kann, die unsere Vorgänger und wir gemacht haben, kann lohnend produziert werden. Die Anlage ist für 500 Tonnen ausgelegt, und wir wissen heute, dass wir die erreichen können. Eher sogar mehr. Und dann lohnt sie auch.

Das heißt, dass Sie, wenn die Anlage stabil läuft, das Konzept auch weiterverkaufen wollen?

ZELLER Das ist natürlich am Ende das Geschäftsmodell für solche Systeme. Es gibt auf der ganzen Welt das Interesse, Nahrungsmittel schonender zu produzieren. Das betrifft ja nicht nur Fisch, schauen Sie sich all die Vertical-Farming-Projekte an, mit denen jetzt beispielsweise Tomaten in Glashäusern in Tokio produziert werden. Und es wird eben auch Normalität werden, dass Fisch aus der Aquakultur kommt. Beim Meeresfang wird der Aufwand immer höher, der nötig ist, um gleiche Mengen zu bekommen. Irgendwann stellt sich die Frage, wieviel Aufwand sich noch lohnt. Und da werden Aquakulturen immer interessanter.

Das heißt, dass künftig jedes Land der Welt eine solche Fischzucht wie die Völklinger haben wird?

ZELLER Das ist noch viel zu kurz gedacht. Jede große Stadt braucht eine solche Fischzuchtanlage. Die Aufgabe für uns ist es, die Technik so weiterzuentwickeln. dass sie unter unterschiedlichsten Standortbedingungen optimal genutzt werden kann. Aber so weit sind wir eben noch nicht. Was wir in den letzten drei Jahren hier vor allem produziert haben, sind Wissen und Erfahrung. Unser Team ist das einzige, das behaupten kann, eine Salzwasser-Anlage dieser Dimension seit fünf Jahren erfolgreich in Betrieb zu haben. Und das erfolgreich Qualitäts-Meeresfisch in Europa verkauft hat.

Sie zeichnen für die Anlage eine rosige Zukunft. Vor knapp drei Jahren sollte das Projekt angesichts der Millionenverluste eingestellt werden. War es ein Fehler der Stadt Völklingen, die Anlage zu verkaufen?

ZELLER Was ist ein Fehler? Ich würde das nicht als Fehler bewerten. Damals hat es in der gegebenen Konstellation einfach nicht funktioniert. Zu dem damaligen Zeitpunkt war das nachvollziehbar. Und es ist ja auch nicht so, dass uns hier alles zugeflogen ist. Die Aufgabe ist riesig. Aber es steht ein Team dahinter, das den Erfolg will. Und auch Investoren, die daran interessiert sind, dass es wirklich funktioniert. Und wenn die Öffentlichkeit beginnt, jetzt die Anlage nicht mehr als gescheitertes Projekt, sondern als eine Chance zu betrachten, und der Handel Interesse an dem Fisch bekommt, dann wird es ein Erfolg.

Sie haben Ihren ersten Fisch nicht vor Ort im Saarland, sondern vor allem in der Schweiz verkauft. Das mutet etwas skurril an.

ZELLER Es war von Anfang an unsere Strategie, den lokalen Markt erst einmal auszublenden. Hier war das Thema Fischzucht auch ziemlich verbrannt. Wir waren in den ersten Jahren sehr vorsichtig unterwegs, waren nicht aggressiv, sondern haben mit wenigen Kunden gearbeitet, um eine Lernkurve zu haben. In der Schweiz haben wir vor allem über den Gastronomie-Zulieferer Bianchi die gehobene Gastronomie beliefert. Damit waren wir gezwungen, höchste Qualität zu liefern. Der Nutzen, den uns solche anspruchsvollen Kunden bringen, ist ja, dass wir uns an höchsten Standards messen lassen müssen. Heute wissen wir, dass wir die erfüllen. Jetzt machen wir den Schritt in eine breitere Dimension.

Das heißt was?

ZELLER Wir erweitern unsere Kundenbasis und gehen mit unseren Fischen neu in den Einzelhandel. Wir haben schon seit dem Start mit Globus eng kooperiert, aber jetzt sind wir auch bei Edeka in Nordrhein-Westfalen und im Südwesten gelistet. Damit gehen wir einen entscheidenden Schritt. Jetzt stellen sich Fragen nach Verkaufs-Logistik-Systemen, Warenverfolgung, Codierung. Das Interesse von Edeka zeigt, dass sich die Haltung zur Fischfarm in Deutschland gedreht hat. In den ersten Jahren haben alle kritisch geschaut, ob das überhaupt funktioniert. Und jetzt bekommen wir immer mehr Anrufe.

Aber im Saarland ist Fisch aus Völklingen bisher trotzdem eine Seltenheit. Gibt es hier noch negative Gefühle gegenüber der Anlage?

ZELLER Wir kriegen nichts Kritisches mehr mit. Schon lange nicht mehr. Ich glaube, im lokalen Umfeld messen viele dem Thema keine Bedeutung mehr bei. Die Menschen, die das Produkt kennen und es vor Ort bei uns kaufen, die kommen immer wieder. Kommerziell relevant ist das noch nicht. Aber wir verfolgen es auch nicht intensiv, weil wir an den anderen Themen arbeiten. Und was die Restaurants im Saarland angeht: Wer mich anruft, kommt auf die Kundenliste. Aber mich hat bisher niemand angerufen, der Restaurants in größerem Umfang hier im Saarland beliefert.

Das heißt, Sie warten auf Anrufe?

ZELLER Wir haben seit Beginn eine Kundenliste, und auf die kommt jeder, der uns anruft. Und zwar in genau dieser Reihenfolge. Das habe ich immer schon gesagt. Die frühen Kunden können sicher sein, immer beliefert zu werden, wer weiter hinten ist, kann nicht immer darauf hoffen. Denn ich gehe schon seit Beginn davon aus, dass wir immer zu wenig Fisch für die Anforderungen des Marktes haben werden, nie zu viel. Was sind denn 500 Tonnen pro Jahr? Das ist nichts, oder dreimal nichts. Es wird nie reichen. Und es gibt eben auch genug Kunden, die Interesse haben, bei uns auf die Liste zu kommen.

Sie haben aktuell mit Kingfish, Wolfsbarsch und Dorade drei Sorten im Programm. Gibt es weitere Planungen?

ZELLER Ich bin auf jeden Fall ein Fan eines Portfolios. Entsprechend denken wir auch über andere Fischsorten nach, die wir hier künftig haben wollen. Aber es gibt noch keine konkreten Pläne.

Ursprünglich sollten ja Dorade und Wolfsbarsch die Massenfische der Anlage werden, Sie setzen nun besonders auf den Kingfish. Warum?

ZELLER Der Kingfish ist quasi der Prototyp eines idealen Fischs für die Anlage. Als Sushi-Fisch ist er nicht nur sehr gefragt, er wird normalerweise auch von weither eingeflogen. Das heißt, dass wir mit Kingfish aus unserer Anlage die CO2-Bilanz gegenüber Fischen aus Japan und Australien deutlich verbessern können. Das ist das, was wir als nachhaltige Produktion verstehen, dass wir den ökologischen Fußabdruck der Produkte verringern.

Und was ist mit Kaviar, der ursprünglich auch mal in der Anlage hergestellt werden sollte?

ZELLER Das würde sicherlich funktionieren. Die Frage war nur, ob wir fünf Jahre warten wollen, bis wir Geld verdienen können. Die Antwort war da ganz klar: Nein!

Aber Ihre Investoren verdienen auch heute noch kein Geld. Und selbst wenn die Anlage schwarze Zahlen schreibt, heißt das ja noch nicht, dass sich die Investition schon rechnet. Wie groß ist die Geduld Ihrer Geldgeber?

ZELLER Natürlich wollen Investoren irgendwann auch ihr Geld wiedersehen. Aber ich habe tatsächlich sehr gute Investoren im Team, und die sehen das Potenzial der Anlage und auch die positiven Entwicklungen. Und es ist tatsächlich für unsere Investoren auch toll, wenn sie in Zürich in ein Restaurant gehen, und dort Fisch aus Völklingen bekommen. Ich denke, die Geduld ist groß, denn sie alle sehen die Chancen, die diese Anlage mit sich bringt.

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