„Nullnummer“ Verurteilte Ärztin Hänel kritisiert Einigung scharf

Gießen · Die Gießener Ärztin Kristina Hänel hat sich enttäuscht über den Kompromiss der Großen Koalition zur Reform des Strafrechtsparagrafen 219a gezeigt. Bei genauerem Hinsehen handele es sich um eine „Nullnummer“, weil die Strafandrohung komplett bestehen bleibe.

„Für uns ist es kein Kompromiss“, sagte Hänel gestern. Die Strafandrohung von zwei Jahren Gefängnis bleibe bestehen. „Und es wird so sein, dass wir Ärzte nicht frei informieren dürfen.“ Hänel und die beiden Kasseler Frauenärztinnen Nora Szasz und Natascha Nicklaus müssen sich derzeit vor Gericht verantworten, weil sie auf der Internetseite ihrer Praxis über Schwangerschaftsabbrüche informieren.

Nach dem nun gefundenen Kompromiss zwischen Union und SPD dürften Ärzte in Zukunft wahrscheinlich auf staatliche Stellen verweisen, „aber das andere wird nach wie vor zensiert“, sagte Hänel. Eine ähnliche Regelung gebe es bereits in Bayern, aber sie funktioniere nicht, weil zum Beispiel keine aktuellen Listen vorhanden seien. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das funktioniert“, sagte Hänel. Außerdem hätten Ärzte Angst, an den Pranger gestellt zu werden, wenn sie auf diesen Listen stehen. Bereits vor einigen Wochen hatte Hänel im Interview mit unserer Zeitung betont, dass sie einen schlechten Kompromiss befürchte. Einen für sie und ihre Mitstreiter guten Ausgang sähe sie nur, wenn es zu einer Abstimmung im Bundestag käme: „Wenn das Thema zur Abstimmung freigegeben würde, wäre die Mehrheit für eine Gesetzesänderung klar gegeben.“

Den juristischen Weg werde sie weitergehen: „Ich muss“, sagte Hänel. Nachdem das Landgericht Gießen im Oktober das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts bestätigt hatte, legte Hänel Revision beim Oberlandesgericht Frankfurt ein. Einen Termin gebe es noch nicht.

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