Versicherer wollen „echte“ Rente mit 67

Berlin · Die Debatte über die Zukunft der gesetzlichen Rentenversicherung wird durch eine neue Studie der Prognos AG befeuert. Nach der gestern veröffentlichten Untersuchung im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hätte ein tatsächliches Arbeiten bis zum 67. Lebensjahr positive Effekte auf das Rentenniveau und die Beiträge.

 Damit im Alter von der Rente mehr übrig bleibt, sollen die Menschen in Deutschland länger arbeiten. Foto: Fotolia

Damit im Alter von der Rente mehr übrig bleibt, sollen die Menschen in Deutschland länger arbeiten. Foto: Fotolia

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Das Gesetz zur Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre ist bei den Bundesbürgern ungefähr so beliebt wie ein verdorbenes Fischgericht. Forderungen nach einer "Rente mit 70", wie sie zuletzt von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU ) und der Jungen Union erhoben wurden, stoßen erst recht auf Empörung. Auch der Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, Alexander Erdland, hält nichts von solchen Vorstößen - jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt. "Wir sollten zunächst alles daran setzen, das gesetzliche Ziel von 67 Jahren auch real zu erreichen", meinte Erdland gestern in Berlin .

Die Befürworter des längeren Arbeitens begründen ihre Forderung mit der Demografie in Deutschland. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen vermehrt in Rente und die Lebenserwartung steigt: 65-jährige Männer werden heute im Schnitt älter als 82, Frauen fast 86. Das tatsächliche Alter des Renteneintritts ist seit der Jahrtausendwende zwar um rund zwei auf gut 64 Jahre gestiegen. Die Dauer des Rentenbezugs bis zum Tod stieg aber noch stärker und liegt bei rund 20 Jahren.

Die Gegner des längeren Arbeitens argumentieren folgendermaßen: Würde die Altersgrenze hochgesetzt, ab der man ohne Abschläge in Rente gehen kann, bedeutet das Einbußen für all jene, die nicht so lange arbeiten können - also oft Menschen, die mit geringen Löhnen körperlich hart arbeiten.

Laut Gesetz liegt das reguläre Renteneintrittsalter gegenwärtig bei 65 Jahren und fünf Monaten. Bis 2029 steigt es schrittweise auf 67 Jahre. Tatsächlich verabschieden sich die Deutschen derzeit im Schnitt aber schon mit 64,2 Jahren in den Ruhestand und nehmen dafür Rentenabschläge in Kauf. Ginge diese Entwicklung so weiter, würden die Bundesbürger laut Prognos 2030 im Schnitt mit 65 Jahren in Rente gehen, also immer noch zwei Jahre früher als nach den gesetzlichen Vorgaben. Würden sie jedoch tatsächlich bis 67 durchhalten, könnte der Beitragssatz 2030 nur bei rund 21 Prozent liegen. Das ist knapp ein Prozentpunkt weniger als bei Fortschreibung der derzeitigen Entwicklung. Gleichzeitig würde das Rentenniveau dann um 1,1 Prozent höher liegen. Ein Ruheständler mit einer durchschnittlichen Rente hätte so - gemessen an heutigen Preisen - 200 Euro pro Jahr mehr in der Tasche. Das Rentenniveau ist ein Schlüsselbegriff in der aktuellen Rentendebatte. Es beschreibt das prozentuale Verhältnis der Rente eines Durchschnittsverdieners mit 45 Beitragsjahren zum Durchschnittseinkommen aller Erwerbstätigen im selben Jahr. Um die Rentenbeiträge der Beschäftigten wegen der wachsenden Alterung der Gesellschaft bezahlbar zu halten, sinkt das Rentenniveau nach geltendem Recht bis 2029 von aktuell 47,7 auf etwa 43 Prozent.

Vor allem SPD und Linke wollen nun das Rentenniveau auf dem heutigen Stand einfrieren oder sogar noch erhöhen, um damit Altersarmut zu bekämpfen. Doch dies käme sehr teuer. Würde man das Rentenniveau zum Beispiel auf 50 Prozent anheben, dann müsste der Beitrag schon 2024 jene 22-Prozent-Marke überschreiten, die das geltende Gesetz erst für 2029 vorsieht. Am Ende wären dann gar 25 Prozent Rentenbeitrag fällig. Eine stetige Verlängerung der Lebensarbeitszeit hingegen brächte wesentliche Vorteile mit sich, meinte der Autor der Prognos- Studie, Oliver Ehrentraut. "Das Rentenniveau ist höher, die Beitragssätze sind niedriger, und auch für den Arbeitsmarkt und den Bundeshaushalt gibt es Entlastung". Laut Prognos könnten bei den steuerlichen Rentenzuschüssen bis 2040 fast 80 Milliarden Euro eingespart werden. Unterstellt ist dabei, dass das tatsächliche Renteneintrittsalter nach 2030 parallel zur steigenden Lebenserwartung der Menschen von 67 auf 67,6 Jahre zunimmt.

Für die Angleichung von gesetzlichem und tatsächlichem Renteneintrittsalter müssten Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Menschen auch in der Lage seien, so lange zu arbeiten, meinte GDV-Chef Erdland mit Blick auf Arbeitgeber und Gewerkschaften. Auf Dauer könne aber auch längeres Arbeiten "keine Rentenniveau garantieren, wie wir es von früher kennen", schränkte er ein. Nötig seien daher auch die betriebliche und private Vorsorge. CDU /CSU: CSU-Chef Horst Seehofer hatte die Rentendebatte angestoßen mit der Äußerung, dass die Kürzung des Rentenniveaus die Hälfte der Bevölkerung in die Sozialhilfe führen würde. Nach allem, was man hört, könnte die Union im Wahlkampf für ein behutsames Nachsteuern beim Rentenniveau eintreten. Das Verhältnis von Einkommen zur Rente soll wohl doch nicht auf 43 Prozent sinken können, so wie derzeit bis 2030 erlaubt.

SPD : Die SPD will verhindern, dass die Renten sich zu stark vom Einkommen abkoppeln. Menschen mit kleinem Lohn dürften im Alter nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein. Im Wert der Rente spiegelt sich für Gabriel auch der Wert der Arbeit. Doch die Reformagenda 2010, die auch die Rente bezahlbar halten sollte, dürfte die SPD nicht komplett zurückdrehen.

Linke: Um Renten armutsfest zu gestalten, soll nach dem Willen der Partei das Rentenniveau von heute 48 Prozent wieder auf das Niveau vor den Rentenreformen der vergangenen Jahre steigen - auf 53 Prozent.

Grüne: Auch die Grünen wollen, dass die Rente vor Altersarmut schützt. Sie sprechen von einem Rentenniveau von nicht unter 46 Prozent. Geringe Rentenanwartschaften sollen mit einer steuerfinanzierten Garantierente aufgewertet werden.

FDP : Die FDP will flexiblere Renteneintritte möglich machen und Hinzuverdienstgrenzen neben dem Rentenbezug aufheben. Sie treten dafür ein, bei der Grundsicherung im Alter einen Freibetrag für Einkommen aus privater und betrieblicher Altersvorsorge nicht anzurechnen.

AfD: AfD-Parteichef Jörg Meuthen hat eine Rente nach Schweizer Modell vorgeschlagen - dort gibt es drei Säulen: die gesetzliche Rentenversicherung, eine kapitalgedeckte Arbeitnehmerversicherung und geförderte Anlagen in private Rentenversicherungen.

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