US-Haushaltsstreit Shutdown macht Leben der Amerikaner düster

Washington · Verdreckte Nationalparks, geschlossene Museen, kein Gehalt für Bundesbedienstete: Die Auswirkungen des Haushaltsstillstands in den USA treffen vor allem Familien und die Umwelt.

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Foto: SZ

Eigentlich wäre es nur eine Formalie gewesen. Claire O‘Rourke und Sam Bockenhauer wollten heiraten, und dazu brauchten sie vom Marriage Bureau, der für Eheschließungen zuständigen Behörde der Stadt Washington, einen amtlichen Schein. Die Urkunde kann man online beantragen. Dachte auch O‘Rourke. Doch unverhofft flimmerte eine Nachricht über ihren Computerbildschirm, mit der sie nicht im Traum gerechnet hätte: Wegen des Verwaltungsstillstands sei das Büro für Hochzeiten leider geschlossen.

Da die Hauptstadt als Regierungsbezirk direkt dem Bund unterstellt ist, ist auch ihr Marriage Bureau vom Shutdown betroffen. Nun hoffen O‘Rourke und Bockenhauer, dass sich die Blockade bis Freitag aufgelöst hat. Am Samstag wollen sie feiern, mit 140 geladenen Gästen in einem Hotel in Washingtons Chinatown. Falls es bis dahin nichts wird mit der Urkunde, ist die Hochzeit streng genommen nicht rechtens.

Ein Viertel des Regierungsapparats der gesamten USA bleibt geschlossen. Rund 800 000 Angestellte dürfen derzeit nicht arbeiten, weil sich das Parlament nicht darauf einigen kann, durch ein kurzfristiges Haushaltsgesetz Geld für ihre Bezahlung zu bewilligen. Falls Demokraten und Republikaner bis Freitag keinen Kompromiss schließen, wäre der Shutdown-Rekord eingestellt – jene drei Wochen, in denen das Staatswesen im Dezember 1995 und Januar 1996 gelähmt war. Schon jetzt wird mit jedem Tag deutlicher, was der Streit im Alltag für Folgen hat.

Die Steuerbehörde mit ihren Bundesfinanzämtern arbeitet nur noch mit gut einem Zehntel ihrer Belegschaft: Sie nimmt zwar Zahlungen entgegen, weist aber keine Rückerstattungen an, solange ihre volle Funktionsfähigkeit nicht wiederhergestellt ist. In den Nationalparks quellen die Papierkörbe über, während das Unfallrisiko steigt. Im Unterschied zu früheren Shutdowns hat Trumps Kabinett entschieden, die Parks diesmal nicht zu schließen. Allerdings wurden 16 000 der 19 000 Bediensteten nach Hause geschickt, sodass es an Personal fehlt, das nicht nur Naturwunder erklären, sondern auch auf potenzielle Gefahrenmomente hinweisen kann. Im kalifornischen Yosemite-Nationalpark, immerhin sechs Mal so groß wie der Zwergstaat Andorra, ist gerade mal ein halbes Dutzend Ranger im Dienst, um Patrouille zu fahren. Hier und da werden Straßen gesperrt, weil man die Sicherheit der Besucher nicht mehr garantieren kann.

Auf welch dünnem Eis sich die meisten bewegen, hat eine Frau namens Mia vorgerechnet, angestellt bei der Transportsicherheitsbehörde TSA, deren Uniformierte an den Sicherheitsschleusen der Flughäfen Passagiere und Handgepäck kontrollieren. Mit Blick auf ihre Lebensunterhaltskosten und die ihrer Kollegen sagte sie im Fernsehen: „Wenn das nächste Gehalt nicht kommt, geht die Rechnung nicht mehr auf.“ Wer einen Hauskredit abstottere, so Mia, müsse jetzt um Aufschub bitten. Oder er verliert seine Wohnung.

Auch Bruce Rohwer, ein Farmer, der auf den fruchtbaren Böden Iowas Mais und Sojabohnen anbaut, wartet auf Geld. Entschädigungszahlungen, die ihm die Regierung Donald Trumps im Handelsstreit der USA mit China zugesichert hat. Sie sollten die Verluste durch aufgestellte Zollschranken im Handelspoker auffangen. Nur kann das Landwirtschaftsministerium Rohwers Antrag nicht bearbeiten, da am 22. Dezember dort die Lichter ausgegangen sind. Wann der Bauer das Geld bekommt, steht in den Sternen.

Trump hatte den Shutdown provoziert, indem er auf dem Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko beharrte, nachdem sich im Kongress bereits eine Verständigung abgezeichnet hatte. Der Präsident ließ den Deal platzen, er bekam kalte Füße, nachdem konservative Publizisten ihn als Weichei kritisiert hatten. Um ihnen und den Demokraten den Wind aus den Segeln zu nehmen, rüstete er rhetorisch auf. Es gipfelte am vergangenen Freitag in dem Satz, er werde die Regierung für Monate oder gar Jahre dicht machen, sollten ihm die Demokraten beim Mauerbau nicht entgegenkommen.

Gestern folgte dann ein Moment des verbalen Abrüstens. Trump sprach statt von einer Mauer von einer Stahlbarriere, die es an der Südgrenze auszubauen gelte. Stahl, twitterte er, sei ohnehin robuster und weniger aufdringlich als Beton. Auf ungefähr einem Drittel der 3144 Kilometer langen Grenze zwischen San Diego am Pazifik und Brownsville am Golf von Mexiko gibt es schon heute Hindernisse aus Metall, mal sind es Wellblechteile, mal Stangen, die man dicht an dicht nebeneinandergestellt hat. Trump will sie um rund 380 Kilometer verlängern, wofür er vom Kongress 5,7 Milliarden Dollar verlangt.

Ob die semantischen Korrekturen ernsthaften Gesprächswillen signalisieren oder aber nur Teil eines raffinierten Manövers sind, um der Opposition die Schuld für die Lähmung der Verwaltung in die Schuhe zu schieben, wird sich zeigen. Klar ist allerdings, dass der Druck auf Trump wächst, da nun auch bisher schweigsame republikanische Senatoren ein Ende der Kraftprobe fordern.

Zumal sich der Präsident jetzt des Vorwurfs erwehren muss, er, der Millionenerbe des väterlichen Immobilienunternehmens, könne sich überhaupt nicht hineinversetzen in die Lage von Staatsbediensteten, die ohne monatlichen Gehaltsscheck auf den Ruin zusteuern.

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