Bedrohte EU-Mission „Sophia“ „Unsere Humanität droht im Mittelmeer zu ertrinken“

Brüssel/Rom/Berlin · (dpa) Angesichts der unklaren Perspektive für die EU-Marinemission „Sophia“ werden die Forderungen nach einer raschen Einigung immer lauter. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth sagte der „Bild am Sonntag“: „Unsere Humanität droht im Mittelmeer zu ertrinken.“ Das Mittelmeer sei inzwischen zu einem „Meer des Todes“ verkommen, beklagte die ehemalige Grünen-Parteichefin.

Mit ihrer Drohung, italienische Häfen zu sperren für Schiffe der EU-Mission „Sophia“ vor der libyschen Küste, hatte die Regierung in Rom eine sofortige Überprüfung der Operation erzwungen – und die Seenotrettung in eine neue schwere Krise gestürzt. Vertreter der EU-Staaten einigten sich am Freitag darauf, möglichst innerhalb der kommenden fünf Wochen eine neue Strategie zum Umgang mit Migranten zu vereinbaren, die bei dem Einsatz gerettet werden. Diese waren bislang alle nach Italien gebracht worden. „Sophia“-Einsatzführer Enrico Credendino hatte bereits zuvor angeordnet, dass sich alle an der Operation beteiligten Schiffe bis heute aus dem Einsatzgebiet zurückziehen. Unklar blieb, ob der „Sophia“-Einsatz bis zum Ergebnis der Überprüfung wieder aufgenommen wird. Aus EU-Sicht könne der Einsatz in allen Bereichen fortgesetzt werden, hieß es aus Diplomatenkreisen. Alle Mitgliedstaaten hätten bekräftigt, dass der Operationsplan bis zum Abschluss der Überprüfung weiter Bestand habe. Inzwischen ist auch das Rettungsschiff „Open Arms“ mit einer afrikanischen Migrantin und zwei Leichen an Bord in Mallorca eingetroffen. Das Schiff sei nach viertägiger Fahrt in den Hafen von Palma eingelaufen, teilte der Gründer der spanischen NGO „Proactiva Open Arms“ am Samstag auf Twitter mit. Italiens rechte Regierung hatte der NGO zwar einen Hafen zum Anlanden zugewiesen. Rom wollte sich allerdings nur um die Überlebende, nicht aber um die Toten der Flucht über das Mittelmeer kümmern.

Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok bezeichnete die italienischen Blockadedrohungen als „Tiefpunkt der Menschlichkeit“. Die EU müsse mit größerer Konsequenz und mehr Geld gegen die Flüchtlingsschleuser im Mittelmeer vorgehen, sagte Brok. Auch Papst Franziskus meldete sich zu Wort. In einem eindringlichen Appell rief er die Staatengemeinschaft dazu auf, Flüchtlingstragödien im Mittelmeer zu verhindern. Laut einer Umfrage für „Bild am Sonntag“ halten es 75 Prozent der Deutschen für richtig, dass private Hilfsorganisationen Geflüchtete im Mittelmeer retten; 21 Prozent sahen das nicht so.

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