Union und SPD Union und SPD wollen neue politische Pflöcke einschlagen

Berlin · In der Flüchtlingspolitik und bei Hartz IV wollen die Koalitionäre umsteuern – in getrennten Klausuren. Die Genossen liebäugeln mal wieder mit einem Groko-Ende.

 CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer will den Unions-Streit um die Migration beilegen.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer will den Unions-Streit um die Migration beilegen.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

(has/dpa) An diesem Wochenende werden die Koalitionspartner Union und SPD Pflöcke einschlagen – getrennt voneinander. Die CDU kommt am Sonntagabend im Konrad-Adenauer-Haus zusammen, um die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin und deren Folgen aufzuarbeiten. Die SPD wiederum wird schon ab Sonntagmittag im Willy-Brandt-Haus an ihrem Profil werkeln. „Ein neuer Sozialstaat für eine neue Zeit“, seht über dem 17-seitigen Papier, das unserer Redaktion vorliegt und das der Parteivorstand auf seiner Klausur beschließen will.

Die neue CDU-Vorsitzende macht ein Versprechen wahr: Sie lädt zum „Werkstattgespräch Migration, Sicherheit und Integration“ ein. Die Beschäftigung damit werde der Union guttun, hatte Annegret Kramp-Karrenbauer immer wieder betont. Bereits bei der Begrüßung wollen CDU und CSU ihre neue Harmonie belegen: So eröffnet Kramp-Karrenbauer die Veranstaltung zusammen mit dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann. Zur Erinnerung: Der Konflikt um die Flüchtlingspolitik wurde zwischen Kanzlerin Angela Merkel und dem damaligen CSU-Chef Horst Seehofer bis aufs Messer geführt. Der heutige Bundesinnenminister bleibt der Veranstaltung freilich fern, besser ist das wohl. Und auch Merkel wird nicht dabei sein.

Zu Beginn werden vier Experten eine Bestandsaufnahme vornehmen, am Montag folgen dann die eigentlichen Werkstattgespräche in vier Arbeitsgruppen. Fachpolitiker, Praktiker und externe Fachleute sollen Vorschläge für verschiedene Bereiche wie Integration, Ordnung und Steuerung oder Abschiebungen erarbeiten. Erst bei der abschließenden Präsentation der Ergebnisse ist die Öffentlichkeit zugelassen. Kramp-Karrenbauer hält das Schlusswort. Sie hofft, dass die Veranstaltung zur Befriedung beiträgt, ein Tribunal soll sie nämlich nicht werden. Vielmehr geht es um das Nach-Vorne-Schauen. Ob sich der tiefere Konflikt über die Migrationspolitik danach tatsächlich legt, ist offen. Auch, wie die CDU die Resultate der Beratungen dann in der Koalition umsetzen will.

Die SPD möchte sich ebenfalls eines Mühlsteins entledigen, allerdings dem der Hartz-Reformen. „Die Leistungen des Sozialstaats sind soziale Rechte, die Bürgerinnen und Bürgern zustehen. Sie sind Inhaberinnen und Inhaber dieser Rechte, keine Bittsteller“, heißt es in dem Beschlusspapier für die Klausur. Der neue Ton soll auch eine neue Musik machen. Demnach will die Partei künftig viel deutlicher machen, dass der Sozialstaat eine „Bringschuld“ hat. Gut drei Monate vor der Europawahl möchte man daher mit einigen Segnungen punkten: So wird die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro vorgeschlagen, außerdem sollen ein Recht auf Umschulung und das Modell der Familienarbeitszeit eingeführt werden. Vor allem aber plant die SPD, den Druck auf Arbeitslose zu verringern. Aus Hartz IV soll ein „Bürgergeld“ werden. In der Groko dürften die Pläne der Parteien für neuen Streit sorgen. Doch wollen die Sozialdemokraten die Koalition überhaupt fortführen? Ex-Parteichef Sigmar Gabriel, bisher Verfechter der Koalition, rät der SPD wegen der Dauerkonflikte, ein vorzeitiges Ende in Erwägung zu ziehen. Die SPD müsse prüfen, ob der Koalitionsvertrag „ausreichend auf die Herausforderungen von morgen ausgerichtet ist“, sagt er im „Spiegel“. „Mein Gefühl ist, dass er das nicht ist.“ Wenn CDU/CSU nicht bereit seien, sich neuen Herausforderungen anzupassen – was wohl heißt, den Vertrag richtig aufzuschnüren –, „muss man gehen“. Spätestens auf dem Parteitag im Dezember wollen die Sozialdemokraten die „Revisionsklausel“ beraten. Wenn alles überhaupt bis dahin hält, muss man wohl sagen.

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