Interview mit Kurt Beck „Union legt Latte ständig höher“

Ex-SPD-Chef Beck über das Für und Wider einer neuen großen Koalition.

 Ex-SPD-Chef und aktueller Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung, Kurt Beck.

Ex-SPD-Chef und aktueller Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung, Kurt Beck.

Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Der ehemalige Parteichef der Sozialdemokraten sieht die Verantwortung für die aktuelle Lage im Land eindeutig bei der Union.

Herr Beck, ist es ein Naturgesetz, dass Ihre Partei in einer großen Koalition als Verlierer dasteht?

BECK Das ist kein Naturgesetz. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass beide Partner in einer großen Koalition auf Dauer deutlich an die politischen Ränder verlieren. Bei der letzten Bundestagswahl hat ja nicht nur die SPD eingebüßt, sondern prozentual noch stärker die Union.

Also sehen Sie Gespräche über eine mögliche Neuauflage der „Groko“ skeptisch?

BECK Ich glaube, dass man hier sehr vorsichtig vorgehen muss. Es gilt genau abzuwägen, wie groß die politischen Schnittmengen zwischen SPD und Union noch sind. Ich halte es deshalb auch für möglich, dass man am Ende eines solchen Prozesses zur Duldung einer Minderheitenregierung kommen könnte. Und auch Neuwahlen sind nicht ausgeschlossen, wobei das am wenigsten wünschenswert wäre. Schnelle Koalitionsgespräche wird es jedenfalls nicht geben.

Für eine Endlos-Fortsetzung des politischen Gezerres dürften die Bürger kein Verständnis haben.

BECK Moment mal. Dass bereits mehrere Monate unverrichteter Dinge ins Land gegangen sind, hat doch die Union zu verantworten und nicht die SPD. Was CDU und CSU sowie FDP und Grüne in dieser Zeit aufgeführt haben, war doch Dilettantismus pur. Da kann man jetzt den Spieß nicht umdrehen, von wegen, die SPD sei für die Verzögerungen verantwortlich.

Wie nehmen Sie die Stimmung an der SPD-Basis wahr?

BECK Suchend und verantwortungsvoll diskutierend. Dem Bundesparteitag in der kommenden Woche wird ein Leitantrag vorliegen, der dafür plädiert, in Gespräche über alle drei denkbaren Wege, also große Koalition, Minderheitenregierung oder Neuwahlen, einzutreten. Und ich gehe davon aus, dass der Parteivorstand dafür Rückendeckung von den Delegierten bekommt.

Irgendwann muss die SPD aber Farbe bekennen.

BECK Wer den Weg aufeinander zu entscheidend stört, ist doch die Union. Der Alleingang des CSU-Landwirtschaftsministers in Sachen Glyphosat hätte bei einer starken Kanzlerin zwingend zur Entlassung dieses Ministers führen müssen. Denn das war eine bewusste Provokation. Und wenn die Länder-Innenminister der Union mal eben die Abschieberegelungen im Falle Syriens in Frage stellen, dann ist das auch alles andere als eine vertrauensbildende Maßnahme.

Also doch „Groko“ ade?

BECK Nein, aber die Hürden dafür sind hoch. Und sie werden von der Union ständig höher gelegt.

Wie lässt sich das Blatt wenden?

BECK Indem man anständig miteinander umgeht. Und es müssen erkennbar andere Zeichen gesetzt werden in einer dann möglichen, neuen Koalition mit der Union. Das heißt konkret, wir müssen beim Thema Gerechtigkeit klare Zeichen setzen.

Aber das hat die SPD doch schon getan...

BECK Der Stil von Frau Merkel war so, dass sie diese Erfolge für sich vereinnahmt hat. Natürlich kann auch die SPD ihre Kommunikation verbessern. Das bestreite ich gar nicht. Aber im Kern war es doch bislang so, dass die CDU der SPD nicht das Schwarze unter dem Fingernagel gegönnt hat.

Noch einmal, wo will die SPD künftig punkten? Bei der Bürgerversicherung? Oder beim Mindestlohn?

BECK Das wird in den SPD-Gremien festgelegt. Da gebe ich öffentlich keine Ratschläge. Aber was mit der SPD zum Beispiel nicht geht, ist die leichtfertige Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Denn dies würde die oberen Einkommensschichten stark entlasten und damit die soziale Schieflage im Land noch verschärfen. So etwas kann die SPD um des lieben Kompromisses willen nicht mittragen. Das ist eine rote Linie für uns.

Sollte Martin Schulz in eine Regierung unter Angela Merkel gehen?

BECK Auch das werden wir entscheiden, wenn es so weit ist.

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