Ungewissheit um Airbus

Paris. Im Terminal 2D am Pariser Flughafen Roissy-Charles de Gaulle wird Flug AF 477 auch am Nachmittag noch als verspätet angezeigt - Stunden, nachdem er hätte landen sollen. Die französische Regierung vermutet schnell eine Katastrophe, auch Staatspräsident Nicolas Sarkozy eilt zum Flughafen

Paris. Im Terminal 2D am Pariser Flughafen Roissy-Charles de Gaulle wird Flug AF 477 auch am Nachmittag noch als verspätet angezeigt - Stunden, nachdem er hätte landen sollen. Die französische Regierung vermutet schnell eine Katastrophe, auch Staatspräsident Nicolas Sarkozy eilt zum Flughafen. Die Maschine der Air France mit 228 Insassen, darunter etwa 26 Deutschen, an Bord ist auf dem Flug von Rio de Janeiro in Brasilien nach Paris nach einem Gewitter spurlos über den Weiten des Atlantiks verschollen. Dutzende Menschen warten in Paris vergeblich auf die Ankunft des Airbus A330, der um 11.10 Uhr hätte eintreffen sollen. Mitarbeiter der Fluggesellschaft geleiten sie in einen abgesperrten Bereich, um sie abzuschirmen. "Wir bitten alle Personen, die die Passagiere des Fluges AF 477 erwarten, sich am Eingang des Terminals 2E einzufinden", hallt es auf Portugiesisch, Englisch und Französisch immer wieder aus den Lautsprechern, als weitere Angehörige und Freunde von Passagieren nach der Nachricht über einen möglichen Absturz zum Flughafen eilen. "Ich habe eine Freundin, die in dem verunglückten Flug war", sagt der Brasilianer Luis Carlos Machado. "Ich bin sehr traurig." An Bord der A330 waren laut Air France 216 Passagiere und zwölf Besatzungsmitglieder.

Die größten Gruppen nach Nationalitäten waren laut französischer Regierung Brasilianer, 40 bis 60 Franzosen und rund 26 Deutsche. Am Nachmittag drängen sich zwei junge Frauen mit geröteten Augen an den wartenden Journalisten wieder aus dem Flughafengebäude. "Ich glaube, es ist jetzt nicht der richtige Moment", sagt eine von ihnen, als sie mit Fragen bombardiert wird. Die kann am Montag ohnehin niemand wirklich beantworten. "Wahrscheinlichste" Annahme sei, dass die Maschine beim Flug über den Atlantik vom Blitz getroffen worden sei, sagt Air-France-Sprecher François Brousse. "Das Flugzeug ist in eine Gewitterzone mit starken Turbulenzen geflogen, die Funktionsstörungen verursacht haben." Eine automatisch abgesetzte Botschaft habe um 4.14 Uhr Mitteleuropäischer Zeit "eine gewisse Anzahl von Fehlern gemeldet", darunter einen "Defekt im Stromkreis".

Gegen acht Uhr morgens sei dann klar gewesen, dass die Maschine ein "großes Problem" habe, als weder Funk- noch Radarkontakt hergestellt werden konnte. Dass Blitze in Flugzeuge einschlagen, ist nicht ungewöhnlich. "Am Verhängnisvollsten" sei es, wenn die Elektronik betroffen sei, sagt der französische Luftfahrtexperte Vincent Favé. Aber deshalb gibt es in jedem Flugzeug Reservesysteme, und Unfälle wegen Blitzen sind letztlich selten.

"Man kann an eine sehr große Panne der Rechner denken, die die Elektrik steuern", erklärte dagegen der Luftfahrtexperte Michel Chevalier dem Nachrichtensender LCI. "Aber das alleine erklärt nicht den Ausfall der Funkverbindung." Selbst bei totalem Stromausfall könne das Flugzeug segeln. Und die Besatzung war sehr erfahren: Der Pilot hatte 11 000 Flugstunden hinter sich, davon 1700 am Steuer einer Airbus A330/A340. Auch die Co-Piloten kannten sich mit dem Langstreckenjet gut aus. Die A330-200 war am 16. April 2005 an Air France geliefert worden und hatte 2500 Flüge absolviert.

Angesichts der Lage blieb gestern wenig Raum für Optimismus. "Wir müssen ernsthaft mit dem Schlimmsten rechnen", sagt der für Verkehr zuständige Umweltminister Jean-Louis Borloo. Die losgeschickten Suchflugzeuge müssen ein riesiges Gebiet zwischen Südamerika und Afrika absuchen. Niemand weiß, wo die Maschine genau war, weil es Radarkontakt nur in Festlandnähe gibt. Sichtlich bewegt kommt gegen Abend Verkehrsstaatssekretär Dominique Bussereau von einem Treffen mit den Angehörigen. Anders als sein Vorgesetzter Borloo mahnt er zur Vorsicht, schon über einen Absturz zu spekulieren. "Nehmen wir uns Zeit", sagt er. "Das schulden wir den Familien." Derweil erhält Air France seinen Nachtflug von Paris nach Rio am Montag aufrecht. Mitarbeiter räumten aber ein, dass mehrere Passagiere den Flug nicht antreten wollten. "Wir müssen ernsthaft mit dem Schlimmsten rechnen."

Jean-Louis Borloo, der für Verkehr zuständige französische Umweltminister

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort