Übergriff auf eine verunsicherte Republik

Es dauert nicht lange, bis die Urteile gefällt sind. Noch ist gar nicht klar, was da in der Silvesternacht genau in Köln passiert ist. Doch im Netz sind sich schon sehr viele sehr einig. Da entlädt sich jede Menge Hass gegen Ausländer - vor allem gegen junge männliche Muslime, die pauschal als vagabundierende Verbrecher dargestellt werden. "Sofort abschieben diese Barbaren!", schreibt ein Facebook-Nutzer. Unter den Internet-Richtern sind die Anhänger der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung ganz vorn mit dabei - und die der AfD. Die Chefin der rechtskonservativen Partei, Frauke Petry, postet auf ihrer Facebook-Seite zu den Ausschreitungen in Köln eine Botschaft an die Kanzlerin: "Ist Ihnen nach der Welle an Straftaten und sexuellen Übergriffen Deutschland nun ,bunt und weltoffen' genug, Frau Merkel?" Petry wertet die Vorfälle in Köln als Folgen der "unkontrollierten Zuwanderung" und einer "katastrophalen Asyl- und Migrationspolitik". Dabei gibt es zu dem, was in Köln passiert ist, bislang mehr Fragen als Antworten. Waren es überhaupt alles Ausländer - noch dazu Flüchtlinge - oder vielleicht Deutsche aus Zuwandererfamilien? Haben sie sich verabredet? War es eine gesteuerte Aktion? Alles unklar. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker betont, die Behörden hätten bisher keinerlei Hinweise, dass es sich um Flüchtlinge handele. Ähnlich äußerte sich Justizminister Heiko Maas (SPD ): "Jetzt geht es darum, die Fakten aufzuklären und daraus auch die notwendigen Schlüsse zu ziehen." Doch selbst die Unions-Politiker wollen nicht warten, bis die offenen Fragen geklärt sind, sondern wagen sich früh weit vor. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer fordert die sofortige Abschiebung von Flüchtlingen, die Frauen sexuell belästigen. Die CDU-Spitzenfrau aus Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner , die im März eine Wahl zu bestreiten hat, fordert eine offene Debatte über die Herkunft der Täter. Mit politischer Korrektheit käme man hier nicht weiter. Innenminister Thomas de Maizière (CDU ) reagiert auf all die voreiligen Schlüsse, auch aus den eigenen Reihen. Ja, dass eine "so große Zahl von Personen, offensichtlich mit Migrationshintergrund", die Übergriffe verübt haben solle, das sei eine neue Dimension, sagt er. Das dürfe aber nicht dazu führen, dass nun Flüchtlinge unter einen Generalverdacht gestellt würden. Die Übergriffe in Köln fallen in eine Zeit, in der die Republik leicht zu erregen ist. Die Zahl der Flüchtlinge ist so hoch wie nie zuvor. Unterkünfte sind überfüllt, Behörden überlastet. Viele Bürger mühen sich bis zur Erschöpfung, den Menschen zu helfen, die vor Krieg und Elend fliehen. Andere machen sich zunehmend Sorgen, dass die Republik mit dem Andrang überfordert ist, dass das Land allzu fremd werden könnte, dass sie selbst zu kurz kommen. Die Zahl der Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte steigt stetig. Fremdenfeinde bekommen Zulauf. Und Kanzlerin Angela Merkel (CDU ) hat selbst innerhalb ihrer Koalition alle Mühe, ihren Kurs der Offenheit gegenüber Flüchtlingen durchzusetzen. Im Kanzleramt gibt Merkel an diesem Tag eine kleine Lehrstunde zu Respekt - auch gegenüber Fremden. Die Vorfälle in Köln sind hier offiziell kein Thema. Es ist eigentlich ein eher unpolitischer Termin. Etwa 100 Sternsinger sind zu Gast. Und deren Motto heißt: "Respekt für dich, für mich, für andere". Und obwohl die Kanzlerin die Flüchtlingsdebatte nicht konkret anspricht, versteht jeder, was sie meint. Mit Vorurteilen sei man ganz schnell dabei, warnt sie. Auch sei die Würde des Menschen unantastbar. Das gelte nicht nur für Deutsche oder jene, die in Deutschland lebten, sagt Merkel. "Sondern es gilt für alle Menschen." Über ihren Sprecher lässt sie am Abend aber ausrichten: Die Schuldigen seien so schnell wie möglich zu bestrafen - "ohne Ansehen ihrer Herkunft oder ihres Hintergrundes". Der Republik stehen wieder mal schwierige Debatten bevor. Von Sorgen bis Zynismus

Es dauert nicht lange, bis die Urteile gefällt sind. Noch ist gar nicht klar, was da in der Silvesternacht genau in Köln passiert ist. Doch im Netz sind sich schon sehr viele sehr einig. Da entlädt sich jede Menge Hass gegen Ausländer - vor allem gegen junge männliche Muslime, die pauschal als vagabundierende Verbrecher dargestellt werden. "Sofort abschieben diese Barbaren!", schreibt ein Facebook-Nutzer. Unter den Internet-Richtern sind die Anhänger der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung ganz vorn mit dabei - und die der AfD. Die Chefin der rechtskonservativen Partei, Frauke Petry, postet auf ihrer Facebook-Seite zu den Ausschreitungen in Köln eine Botschaft an die Kanzlerin: "Ist Ihnen nach der Welle an Straftaten und sexuellen Übergriffen Deutschland nun ,bunt und weltoffen' genug, Frau Merkel?" Petry wertet die Vorfälle in Köln als Folgen der "unkontrollierten Zuwanderung" und einer "katastrophalen Asyl- und Migrationspolitik".

Dabei gibt es zu dem, was in Köln passiert ist, bislang mehr Fragen als Antworten. Waren es überhaupt alles Ausländer - noch dazu Flüchtlinge - oder vielleicht Deutsche aus Zuwandererfamilien? Haben sie sich verabredet? War es eine gesteuerte Aktion? Alles unklar. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker betont, die Behörden hätten bisher keinerlei Hinweise, dass es sich um Flüchtlinge handele. Ähnlich äußerte sich Justizminister Heiko Maas (SPD ): "Jetzt geht es darum, die Fakten aufzuklären und daraus auch die notwendigen Schlüsse zu ziehen."

Doch selbst die Unions-Politiker wollen nicht warten, bis die offenen Fragen geklärt sind, sondern wagen sich früh weit vor. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer fordert die sofortige Abschiebung von Flüchtlingen, die Frauen sexuell belästigen. Die CDU-Spitzenfrau aus Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner , die im März eine Wahl zu bestreiten hat, fordert eine offene Debatte über die Herkunft der Täter. Mit politischer Korrektheit käme man hier nicht weiter.

Innenminister Thomas de Maizière (CDU ) reagiert auf all die voreiligen Schlüsse, auch aus den eigenen Reihen. Ja, dass eine "so große Zahl von Personen, offensichtlich mit Migrationshintergrund", die Übergriffe verübt haben solle, das sei eine neue Dimension, sagt er. Das dürfe aber nicht dazu führen, dass nun Flüchtlinge unter einen Generalverdacht gestellt würden.

Die Übergriffe in Köln fallen in eine Zeit, in der die Republik leicht zu erregen ist. Die Zahl der Flüchtlinge ist so hoch wie nie zuvor. Unterkünfte sind überfüllt, Behörden überlastet. Viele Bürger mühen sich bis zur Erschöpfung, den Menschen zu helfen, die vor Krieg und Elend fliehen. Andere machen sich zunehmend Sorgen, dass die Republik mit dem Andrang überfordert ist, dass das Land allzu fremd werden könnte, dass sie selbst zu kurz kommen.

Die Zahl der Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte steigt stetig. Fremdenfeinde bekommen Zulauf. Und Kanzlerin Angela Merkel (CDU ) hat selbst innerhalb ihrer Koalition alle Mühe, ihren Kurs der Offenheit gegenüber Flüchtlingen durchzusetzen. Im Kanzleramt gibt Merkel an diesem Tag eine kleine Lehrstunde zu Respekt - auch gegenüber Fremden. Die Vorfälle in Köln sind hier offiziell kein Thema. Es ist eigentlich ein eher unpolitischer Termin. Etwa 100 Sternsinger sind zu Gast. Und deren Motto heißt: "Respekt für dich, für mich, für andere". Und obwohl die Kanzlerin die Flüchtlingsdebatte nicht konkret anspricht, versteht jeder, was sie meint. Mit Vorurteilen sei man ganz schnell dabei, warnt sie. Auch sei die Würde des Menschen unantastbar. Das gelte nicht nur für Deutsche oder jene, die in Deutschland lebten, sagt Merkel. "Sondern es gilt für alle Menschen." Über ihren Sprecher lässt sie am Abend aber ausrichten: Die Schuldigen seien so schnell wie möglich zu bestrafen - "ohne Ansehen ihrer Herkunft oder ihres Hintergrundes". Der Republik stehen wieder mal schwierige Debatten bevor.

Von Sorgen bis Zynismus

Wie Facebook-Nutzer der SZ die Übergriffe von Köln kommentieren


Saarbrücken. Der erste Schreck über die Übergriffe auf Frauen am Kölner Hauptbahnhof ist kaum vergangen, da überschlagen sich bereits die Reaktionen in den Netzwerken deutscher Medien - auch auf der Facebook-Seite der Saarbrücker Zeitung. Die Bandbreite reicht dabei von eindringlichen Warnungen vor Vorverurteilungen bis hin zu mehr oder weniger zynischen Kommentaren. "Gewalt jeglicher Art und Diebstahl gehören bestraft. Jeder der sie verübt egal woher er kommt. Und das überall", mahnt Natascha F. Andere Nutzer sind besorgt: "Und ich lese grad von weitere Städten. Was war denn das? Ein zentral abgesprochener und bundesweiter Missbrauchsmarathon?", schreibt Marc T. über weitere Übergriffe "in abgeschwächter Form" in Hamburg, Stuttgart und Detmold. "Im Karneval kann es noch schlimmer kommen, Deutschland am Abgrund, schlimmer wie Sodom und Gomorrha!", glaubt Gerhard F. Andere reagieren zynisch: "Sage dazu lieber nix sonst wird man als Nazi beschimpft", meint Björn R.

Wie bei den Themen Pegida, Flüchtlingsheimen und Islamisten-Attentaten üblich, rückt auch dieses Mal wieder Angela Merkel und ihre Flüchtlingspolitik in den Mittelpunkt der Kritik. "Die wurden von der Fernsehansprache der Merkel angeregt!", sagt Siegrid R. Ein Nutzer beschimpft die Kanzlerin als "Diktator". pbe

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