Viel Kritik an Gesetz gegen Diskriminierung

Vor zehn Jahren war das „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz“ (AGG) höchst umstritten. Heute hat sich die Aufregung gelegt. Nun soll es reformiert werden – da regt sich erneut Widerstand. SZ-Korrespondent Stefan Vetter nennt die Hintergründe:

Was ist im Gesetz geregelt?

Nach dem AGG darf kein Mensch wegen seiner ethnischen Herkunft, Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, seines Alters, Geschlechts oder sexuellen Orientierung benachteiligt werden. Bei Verstößen besteht ein Schadenersatzanspruch. Betroffene können bei der Antidiskriminierungsstelle erfahren, ob die Bestimmungen auf sie zutreffen. Die Stelle holt auch juristische Gutachten ein und wendet sich an die jeweiligen Unternehmen.

Wie wird die Stelle genutzt?

Die Antidiskriminierungsstelle hat seit dem Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 nach eigenen Angaben 15 078 Beratungsanfragen bearbeitet. Die meisten Betroffenen (3897) meldeten sich wegen einer Benachteiligung aufgrund ihrer Behinderung. 3325 Anfragen gab es im Zusammenhang mit dem Geschlecht. 2804 Anfragen bezogen sich auf das Lebensalter. Bei den Arbeitsgerichten spielt das Gesetz eine sehr untergeordnete Rolle. 2010 waren dort nur 0,2 Prozent der Klagen wegen des AGG anhängig.

Wie sehen typische Beratungsfälle aus?

Einer Bewerberin für einen befristeten Vertrag im Schuldienst wurde die Stelle wegen ihrer Schwangerschaft verweigert. Laut Antidiskriminierungsstelle hat die Frau inzwischen einen Arbeitsvertrag erhalten. Eine Rollstuhlfahrerin wollte ein Studium beginnen und bat deshalb darum, auch in den Abendstunden die Aufzüge der Hochschule benutzen zu dürfen, die bislang um diese Zeit aus Kostengründen abgeschaltet waren. Nachdem die Beratungsstelle sich des Falls annahm, wurde der Bitte der Betroffenen entsprochen.

Welche Grenzen gibt es?

Nicht jede Benachteiligung ist auch immer gleich eine Diskriminierung : So ist es zum Beispiel rechtens, wenn ein kirchlicher Arbeitgeber die Konfessionszugehörigkeit zur Bedingungen für eine Anstellung macht und Bewerber ohne entsprechende Voraussetzung abweist. Unbedenklich ist auch die Formulierung in einer Anzeige: "Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung besonders berücksichtigt".

Wie soll eine Reform aussehen?

In einem Gutachten der Antidiskriminierungsstelle wird eine Verlängerung der Frist zur schriftlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen von zwei auf sechs Monate verlangt. Viele Betroffene zögerten lange, ihren Fall öffentlich zu machen. Gefordert wird auch ein Verbandsklagerecht, weil alleinige Kläger oft davor zurückschreckten, ihr Recht durchzusetzen. Nachgebessert werden soll auch beim Diskriminierungsschutz für Werkvertragsarbeiter. Außerdem soll das AGG auch bei sexuellen Übergriffen von Vermietern oder Verkäufern gelten. Bislang gilt es nur am Arbeitsplatz.

Was sagen Kritiker?

Umstritten ist vor allem das Verbandsklagerecht. Während Grüne und Linke dafür sind, lehnt die Union den Vorstoß mit Hinweis auf Missbrauch ab. Er sei dagegen, "eine Art Sittenpolizei in Deutschland aufzubauen", meinte Fraktionsvize Michael Fuchs . Betroffene könnten auch einen Anwalt einschalten.

Meinung:

Danke, kein Reformbedarf

Von SZ-Korrespondent Stefan Vetter

In Sachen Schutz von Minderheiten war Deutschland auch schon vor dem Gleichbehandlungsgesetz (AGG) alles andere als ein weißer Fleck. Dafür genügt bereits ein Blick in die Verfassung. Denn das vor zehn Jahren beschlossene AGG hat die Gesellschaft für die bestehenden Rechtsgrundsätze noch einmal zusätzlich sensibilisiert. Zweifellos. Ein Hotelier wird es sich mittlerweile gut überlegen, ob er einem homosexuellen Paar die Übernachtung verweigert. Das zeigt auch: Das geltende Gleichbehandlungsgesetz hat sich im Kern bewährt. Es gibt keinen triftigen Grund für eine fundamentale Reform der Rechtslage. Man wird den Verdacht nicht los, dass die Antidiskiminierungsstelle sich mit der Forderung einer Novelle selbst mehr Bedeutung verschaffen will.

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