Terror in Istanbuler Nachtclub

Istanbul · Kaum hat das neue Jahr begonnen, dringt ein Terrorist in einen Istanbuler Nachtclub ein und feuert auf die feiernden Gäste. Unter den Todesopfern sind 15 Ausländer. Ob Deutsche betroffen sind, ist noch unklar.

 Rettungskräfte bringen nach dem Anschlag Verwundete ins Krankenhaus. Foto: Uncredited/HA/dpa

Rettungskräfte bringen nach dem Anschlag Verwundete ins Krankenhaus. Foto: Uncredited/HA/dpa

Foto: Uncredited/HA/dpa

Blutbad bei der Silvester-Party: Bei einem Anschlag auf einen berühmten Nachtclub in der türkischen Metropole Istanbul sind mindestens 39 Menschen getötet worden, darunter 24 Ausländer . Der Attentäter erschoss früh am Neujahrstag laut türkischen Behörden zunächst einen Polizisten und einen Zivilisten, dann tötete er wahllos Partygäste im Club "Reina". Nach dem Angreifer wurde mit Hochdruck gefahndet. Der Attentäter attackierte den bei Prominenten und Touristen beliebten Nachtclub am Bosporus-Ufer, als das neue Jahr in der Türkei gerade einmal eine gute Stunde alt war. In dem Club feuerte er nach Angaben der Behörden wahllos um sich. Insgesamt wurden mindestens 39 Menschen getötet und 65 weitere verletzt. In dem auf der europäischen Seite von Istanbul gelegenen Club mit mehreren Restaurants und Tanzflächen hielten sich zur Silvesterfeier bis zu 800 Menschen auf.

Innenminister Süleyman Soylu sagte, der Attentäter habe sein Gewehr unter einem Mantel verborgen. Womöglich wechselte er später die Kleidung, bevor er den Club verließ. Die Polizei startete eine Suchaktion: "Ich hoffe, er wird schnell gefasst, so Gott will." Regierungschef Binali Yildirim wies Berichte zurück, der Angreifer habe ein Weihnachtsmannkostüm getragen. Er habe seine Waffe zurückgelassen und sei vom Tatort geflohen, sagte er.

Die Mehrzahl der Todesopfer kam aus dem Ausland. Die türkische Familienministerin Fatma Betul Sayan Kaya sagte, es seien vor allem Bürger arabischer Staaten unter den Opfern. Nach amtlichen Angaben waren unter den Getöteten Staatsbürger Belgiens, Frankreichs, Tunesiens, Israels, Indiens, Saudi-Arabiens, des Libanon, Jordaniens, des Irak und Libyens. Deutsche Opfer wurden zunächst nicht bestätigt.

"Sie wollen die Moral unseres Landes zerstören und Chaos verbreiten, indem sie mit diesen schändlichen Angriffen gezielt Zivilisten attackieren", sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan . Die Türkei sei aber entschlossen, "den Kampf gegen den Terror" fortzusetzen. Istanbuls Gouverneur Vasip Sahin sagte, der Attentäter habe "auf die brutalste und gnadenloseste Weise auf unschuldige Menschen gezielt".

International wurde das Attentat scharf verurteilt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU ) bezeichnete in einem Beileidsschreiben an Erdogan das Attentat als "menschenverachtenden und hinterhältigen Anschlag". Auch Bundespräsident Joachim Gauck äußerte "Trauer und Entsetzen" über die "perfide Tat". Der Fußballprofi Lukas Podolski , der für den Istanbuler Verein Galatasaray spielt, twitterte: "Betet für Istanbul ."

Weil die Behörden einen Anschlag befürchteten, waren an Silvester in Istanbul 17 000 Polizisten im Einsatz, es galten verschärfte Sicherheitsvorkehrungen in der Innenstadt. Die deutsche Botschaft hatte vor Silvester zu besonderer Wachsamkeit aufgerufen.

Die Türkei war im vergangenen Jahr von mehreren blutigen Anschlägen der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) und der kurdischen Extremistengruppe Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) erschüttert worden, die eine radikale Splittergruppe der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK ) ist. Zuletzt wurden am 10. Dezember bei einem Doppelanschlag der TAK 45 Menschen in Istanbul getötet. Türkische Truppen sind derzeit in Nordsyrien in Gefechte mit dem IS verwickelt. IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi hatte im November zu Anschlägen in der Türkei aufgerufen.

Meinung:

Die Geister, die er rief

Von SZ-Mitarbeiterin Susanne Güsten

In der Türkei hat das neue Jahr mit Blutvergießen begonnen - und es gibt keinen Grund zur Annahme, dass der Hass das Land künftig verschonen wird. Präsident Erdogan muss sich vorwerfen lassen, zumindest zum Teil für die Entwicklung mitverantwortlich zu sein. Seit er den Friedensprozess mit den Kurden aufgekündigt hat, tobt der Krieg mit der verbotenen Kurdenpartei PKK wieder mit voller Härte. Und es erwies sich als Fehlschluss zu glauben, radikal-islamische Milizen im Syrien-Krieg als Instrumente im Kampf gegen den verhassten Staatschef Assad lenken zu können. Darüber hinaus hat Erdogan es zugelassen, dass in der Türkei eine muslimische Intoleranz um sich gegriffen hat, durch die sich militante Extremisten bestärkt fühlen. Der Präsident hätte es in der Hand, dies zu ändern. Er könnte die Friedensverhandlungen mit den Kurden neu beginnen lassen. Und er könnte seinen Anhängern eine neue Richtung vorgeben und für Ausgleich und Verständigung werben. Leider ist das nicht zu erwarten. Das Jahr 2017 dürfte für die Türkei noch schwieriger werden als das blutige alte Jahr.

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