SPD will mit Einwanderung punkten

Berlin · Die Deutschen werden älter und weniger: Millionen Fachkräfte werden den Firmen fehlen. Mit einem Einwanderungsgesetz will die SPD nun kluge Köpfe aus aller Welt anlocken und auswählen. Geht da vor der Wahl noch was?

 Die Sprache für den Alltag: Dieser junge Flüchtling lernt in einem Kurs Deutsch. Foto: Schmidt/dpa

Die Sprache für den Alltag: Dieser junge Flüchtling lernt in einem Kurs Deutsch. Foto: Schmidt/dpa

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Die Union will von einem raschen Einwanderungsgesetz nichts wissen. Seine Partei sei zwar offen für die von der SPD angebotenen Gespräche, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber gestern. "Aber jetzt gibt es andere Fragen, die drängender sind." Er forderte die SPD auf, zunächst der Einstufung weiterer Länder als sichere Herkunftsstaaten zuzustimmen, damit Asylbewerber ohne Aussicht auf Anerkennung schnell abgeschoben werden können. Auch die CSU lehnte den Vorstoß von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann ab, noch vor der Wahl 2017 ein Konzept zur Anwerbung ausländischer Fachkräfte im Bundestag zu beschließen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU ) sagte in München: "Das ist doch das völlig falsche Signal! Die Zahlen von 2015 mit über einer Million Flüchtlinge, die nach Deutschland gekommen sind, beweisen, dass wir eher zu viel statt zu wenig Zuwanderung haben." Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU ) hatte die Zahl der Flüchtlinge jedoch schon auf 890 000 korrigiert. Hermann sagte, das Aufenthaltsgesetz biete im internationalen Vergleich sehr gute Möglichkeiten für die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte . "In ihrem Vorschlag sagt die SPD sogar selbst, dass Deutschland laut OECD inzwischen das zweitbeliebteste Einwanderungsland weltweit ist."

Oppermann wiederum warnt davor, die Flüchtlingskrise mit der Frage einer kontrollierten Zuwanderung zu vermischen, wie es die CSU tue. Man dürfe Flüchtlinge nicht nach "Nützlichkeitserwägungen" betrachten. Das Asylrecht sei unantastbar. Davon unabhängig brauche die deutsche Wirtschaft aber händeringend Fachkräfte . Um diese Lücke zu füllen, schlägt die SPD vor, neben der Ausbildung vor allem junger arbeitsloser Deutscher zum Start des Gesetzes pro Jahr 25 000 ausländische Fachkräfte außerhalb Europas gezielt ins Land zu holen. Die Vorbehalte in der Union kommen für die SPD nicht überraschend. Oppermann meinte, er halte die Einwanderung für ein Gewinnerthema der SPD im Bundestagswahlkampf.

Herzstück des SPD-Konzepts ist ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild. Ausländische Bewerber bekommen Punkte bei Kriterien wie Qualifikation, Sprachkenntnisse, Arbeitsplatzangebot, Alter und Integrationschancen. Wird die Mindestpunktzahl erreicht (65 von 100 Punkten für Hochschulabsolventen, 60 von 100 Punkten für Fachkräfte mit Berufsausbildung), bekommt der Bewerber einen Platz in einer Warteliste. Liegt ein Jobangebot vor, rutscht er im Ranking automatisch nach oben. Viele top-ausgebildete junge Ausländer machen bislang einen Bogen um Deutschland - viel attraktiver sind die USA, Kanada oder Skandinavien. Deutschland punktet dagegen innerhalb Europas. Allein aus anderen EU-Staaten ergab sich 2015 eine Zuwanderung von 380 000 Menschen.

Meinung:

Ein Versuch - und nicht mehr

Von SZ-Korrespondent Hagen Strauß

Schon seit Anfang des vergangenen Jahres ist SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann dabei, ein Einwanderungsgesetz beim Koalitionspartner Union einzufordern. Bislang ohne durchschlagenden Erfolg. Die Sozialdemokraten nutzen das Thema nun auch, um sich im Wahlkampf mit der Union kräftig streiten zu können. Sie wollen die C-Parteien vor sich her treiben, die diesbezüglich überhaupt keine einheitliche Linie haben.

Mit der Flüchtlingsfrage hat das, was die SPD vorschlägt, aber nichts zu tun. Um ihre Eingliederung auch am Arbeitsmarkt zu beschleunigen, hat die große Koalition das Integrationsgesetz beschlossen. Es geht um die Arbeitsmigration, für die es zwar schon viele Regelungen gibt, die aber kaum zu durchschauen sind. Das wirkt abschreckend. Da hat die SPD recht. Nur: Ein Punktesystem ist keine Garantie für eine gelungene Migration. Gut 60 Prozent der gegenwärtigen Zuwanderung in die Bundesrepublik kommt zudem aus Staaten der EU. Wegen der Arbeitnehmerfreizügigkeit besteht keine Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen. Insofern ist der SPD-Plan ein gut gemeinter Versuch. Ausgereift ist er aber noch nicht.

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