Polens Parlament knickt bei Abtreibung ein

Warschau · Dass Politiker in ihr Privatleben eingreifen wollten, erzürnte in Polen zehntausende Frauen. In Scharen demonstrierten sie gegen ein geplantes Abtreibungsverbot. Am Ende gab die eigentlich harte Regierung nach.

 „Mein Uterus, meine Wahl“, steht auf dem Plakat dieser polnischen Aktivistin. Foto: dpa

„Mein Uterus, meine Wahl“, steht auf dem Plakat dieser polnischen Aktivistin. Foto: dpa

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Nach massiven Protesten polnischer Frauen ist das Parlament in Warschau eingeknickt. Es hat eine geplante Verschärfung des ohnehin strikten Abtreibungsrechts abgelehnt. Eine klare Mehrheit der Abgeordneten stimmte gestern gegen den Gesetzentwurf des Bürgerkomitees "Stoppt Abtreibung". Das Gesetz hätte nur bei einer unmittelbaren Lebensgefahr der Frau einen Schwangerschaftsabbruch erlaubt.

Noch Ende September hatte das von der regierenden nationalkonservativen Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski dominierte Parlament des streng katholischen Landes dafür gestimmt, die Gesetzesinitiative weiter zu verfolgen und sie den zuständigen Ausschüssen zu übergeben. Dabei ist das polnische Abtreibungsrecht bereits jetzt sehr restriktiv und eines der strengsten der EU. Das geltende Recht erlaubt Schwangerschaftsabbrüche nur bei Gefahr für Leben oder Gesundheit der Mutter, nach Vergewaltigung oder Inzest oder wenn der Fötus bleibende Missbildungen aufweist. In dem 38-Millionen-Einwohner-Land werden jährlich weniger als 2000 Abtreibungen vorgenommen. Frauenrechtsgruppen gehen aber davon aus, dass zusätzlich 100 000 bis 150 000 Frauen illegal oder im Ausland abtreiben lassen. Trotzdem sollte das Gesetz nochmals verschärft werden.

Nachdem es in den vergangenen Tagen massive Proteste in Polen, aber auch in Berlin, Brüssel, London, Paris und Bukarest gegeben hatte, deutete sich jedoch ein Kurswechsel in der Regierung an. So empfahl der Justizausschuss die Ablehnung der Gesetzesinitiative durch das Parlament. Gestern stimmten dann 352 Abgeordnete gegen den Gesetzentwurf, 58 waren dafür. Es gab 18 Enthaltungen.

Dem Votum ging eine emotionale Debatte voraus. PiS-Chef Kaczynski sagte im Parlament, seine Fraktion würde "immer den Schutz des Rechts auf Leben unterstützen". Allerdings hätten die Befürworter der Gesetzesverschärfung diese nicht "auf dem besten Weg" angepackt. Angesichts der "sozialen Situation" würde das Gesetz "zu einem Prozess führen, dessen Effekt dem Ziel widersprechen würde", sagte Kaczynski. Die PiS habe "Angst vor den Frauen bekommen, die auf die Straße gegangen sind", sagte dagegen die ehemalige liberale Ministerpräsidentin Ewa Kopacz. Die liberale Abgeordnete und frühere Sportministerin Joanna Mucha sagte, die PiS sei "in Panik geraten". "Polnische Frauen werden es Ihnen nicht erlauben, sie wie Schafe ins Schlachthaus zu führen", sagte Mucha. Vielmehr werde "die Herde Sie niedertrampeln".

Eine Umfrage von September hatte gezeigt, dass 74 Prozent der Polen dafür sind, das bestehende Abtreibungsgesetz von 1993 beizubehalten. Wissenschaftsminister Jaroslaw Gowin sagte, die Proteste hätten "uns zum Nachdenken gebracht und uns eine Lehre in Demut gegeben". Der Initiator des Gesetzesentwurfs, Mariusz Dzierzawski, zeigte sich dagegen enttäuscht und warf der PiS "Heuchelei" vor. Die einflussreiche katholische Kirche des Landes unterstützte das umfassende Abtreibungsverbot, allerdings erklärten die polnischen Bischöfe, sie lehnten die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Gefängnisstrafe für Frauen ab.

Die Initiative sah vor, dass bei einer Abtreibung die ausführenden Ärzte und die Frauen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden können. Gestern scheiterte auch eine zweite Initiative, mit der die Praxis der künstlichen Befruchtung strikt begrenzt werden sollte, als die Abgeordneten der populistischen Partei Kukiz'15 ihre Unterstützung entzogen. Frauenrechtler begrüßten den Schritt.

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