Neuer Widerstand gegen Bund-Länder-Pakt

Berlin · „Monströser Eingriff ins Grundgesetz“: Der Bundestagspräsident will der historischen Finanzreform nicht zustimmen. Die Koalition ist erbost.

Nachdem sich die Koalition am Mittwoch nach langem, zähen Ringen auf die letzten Details des historischen Bund-Länder-Finanzpakts geeinigt hatte, ist nun erneut eine Grundsatzdebatte entfacht. Ausgerechnet Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) kündigte an, gegen die Reform zu stimmen. Lammert kritisierte das vereinbarte Paket angesichts von 13 enthaltenen Grundgesetzänderungen. "Einen ähnlich weitreichenden, monströsen Eingriff in das Grundgesetz habe ich zuletzt bei den Föderalismusreformen erlebt", sagte Lammert dem "Handelsblatt". Deutschland laufe "sehenden Auges in einen Zentralstaat". Unterdessen haben die CDU-Finanzexperten Ralph Brinkhaus und Eckhardt Rehberg für das Paket geworben. "Wir können vom Gesamtpaket her nur empfehlen, die ganze Sache zu verabschieden", sagte Brinkhaus (CDU), gestern in Berlin.

Kernpunkt des Gesetzespakets ist eine Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleichs nach dem Auslaufen der bisherigen Regeln und dem Ende des Solidarpakts II für Ostdeutschland.

Brinkhaus räumte ein, das Paket sei ein Kompromiss vieler Beteiligter. Zudem sei das Auslaufen des Solidarpakts II näher gerückt. Angesichts der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag sei die Reform wohl nur mit einer großen Koalition aus Union und SPD möglich gewesen. Erforderlich ist auch die Zustimmung des Bundesrats. Die Sozialdemokraten reagierten erbost auf die Kritik des Präsidenten. "Es ist beschämend, dass sich ausgerechnet der Bundestagspräsident offen gegen die Kofinanzierung bedürftiger Kommunen im Bildungsbereich durch den Bund ausspricht", sagte SPD-Fraktionsmanagerin Christine Lambrecht. Ihm sei "offensichtlich Prinzipienreiterei wichtiger als die Sanierung maroder Schulen und gute Lernbedingungen für alle Kinder".

CDU-Chefin Angela Merkel rechnet ungeachtet der scharfen Kritik des Bundestagspräsidenten mit einer Zustimmung des Bundestags. "Diese Grundgesetzänderung wird in der nächsten Woche, so hoffe ich doch, wirklich auch verabschiedet", sagte die Bundeskanzlerin.

Mit der Umsetzung der Reform wird der Länderfinanzausgleich in seiner bisherigen Form abgeschafft. Die finanzielle Ausstattung der Länder wird in Zukunft über einen Ausgleich bei der Umsatzsteuer geregelt. Ab 2020 zahlt der Bund pro Jahr knapp zehn Milliarden Euro zusätzlich an die Länder, dieser Betrag steigt nach und nach an. Zum Ausgleich erhält der Bund mehr Mitspracherechte.

Zudem darf er finanzschwache Kommunen bei der Sanierung von Schulen unterstützen - damit wird das sogenannte Kooperationsverbot bei der Schulfinanzierung aufgeweicht. Der Bundesrechnungshof bekommt erweiterte Kontrollrechte, wenn Landesaufgaben vom Bund mitfinanziert werden. Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern wird auch in der Steuerverwaltung modernisiert - ebenfalls durch eine stärkere Stellung des Bundes. Teil des Pakets ist auch eine neue Infrastrukturgesellschaft des Bundes für Bau und Betrieb der Autobahnen. Die SPD legte darauf wert, dass eine Privatisierung der Gesellschaft oder der Autobahnen nicht möglich ist. Öffentlich-private Partnerschaften auf einzelnen Streckenabschnitten bleiben indes weiter erlaubt.

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