Mit Kopftuch auf die Richterbank

Augsburg · Muslimische Lehrerinnen dürfen mit Kopftuch unterrichten. Doch eine Richterin, die nicht nur Robe, sondern auch Kopftuch trägt, ist bislang undenkbar. In Bayern könnte sich das zumindest für Rechtsreferendarinnen bald ändern.

Jahrelang waren muslimische Lehrerinnen mit Kopftuch in Deutschland ein Reizthema. Dann entschied das Bundesverfassungsgericht , dass ein pauschales Kopftuchverbot in öffentlichen Schulen unzulässig ist. Es sei nicht mit der vom Grundgesetz garantierten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit vereinbar, urteilte Karlsruhe 2015 in einem Rechtsstreit um das nordrhein-westfälische Schulgesetz.

Nun könnten Frauen mit Kopftüchern demnächst vielleicht auch in die Gerichtssäle einziehen: Das Verwaltungsgericht Augsburg hat gestern festgestellt, dass auch bayerischen Rechtsreferendarinnen das Kopftuch nicht untersagt werden darf. Die Augsburger Richter gaben damit der Klage einer Studentin statt, die sich gegen Auflagen gewehrt hatte. Bayern kündigte allerdings umgehend Berufung an.

Das Münchner Oberlandesgericht als Arbeitgeber hatte der Muslimin im Herbst 2014 bei der Einstellung in den Vorbereitungsdienst der Justiz Vorgaben gemacht, wonach sie bei gewissen Tätigkeiten kein Kopftuch tragen dürfe. Diese Arbeiten blieben der 25-Jährigen dadurch in ihrem Referendariat am Augsburger Amtsgericht verwehrt.

Der Fall war Neuland, obwohl bereits Anfang 2008 ein entsprechendes Schreiben des bayerischen Justizministeriums an die Gerichte ging. Die Justiz wolle nicht, "dass Rechtsreferendarinnen auf der Richterbank oder sonst bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten ein Kopftuch tragen", erklärt eine Ministeriumssprecherin die Verordnung. Auch wenn angehende Juristen die Staatsanwaltschaft in einer Verhandlung vertreten oder Zeugen vernehmen, geht das demnach nur ohne Kopftuch.

Mehrere muslimische Referendarinnen haben in der Vergangenheit diese Auflagen bekommen. Für sie gilt dann: Entweder das Tuch abnehmen oder eine Verhandlung vom Zuschauerraum des Gerichtssaals verfolgen. Die 25-jährige Augsburgerin zog gegen die Regelung vor Gericht. Zudem hat sie inzwischen Amtshaftungsklage gegen den Freistaat eingereicht und verlangt 2000 Euro Schmerzensgeld, weil sie sich diskriminiert fühlt. "Ich hatte das Gefühl, dass ich schon mit einer gewissen Stigmatisierung eingestellt werde", sagte sie. Einmal habe sie ein Anwalt sogar angesprochen, warum sie nicht am Richtertisch sitze.

Die Verwaltungsrichter bemängelten, dass die Auflagen für die Frau ohne ausreichende Rechtsgrundlage gemacht worden seien. In Bayern gebe es kein Gesetz, welches Rechtsreferendare zu einer weltanschaulich-religiösen Neutralität verpflichte. Besonders bei Eingriffen in Grundrechte wie die Religionsfreiheit sei ein Parlamentsgesetz nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtes notwendig.

Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU ) wird die Entscheidung nicht akzeptieren und kündigte Berufung an. "Ich will nicht, dass Rechtsreferendarinnen auf der Richterbank, beim staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienst oder bei sonstigen hoheitlichen Tätigkeiten ein Kopftuch tragen."

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