Legt Renzi den Rückwärtsgang ein?

Rom · Wie geht es weiter in Italien nach der verlorenen Volksabstimmung? Der Rücktritt von Ministerpräsident Matteo Renzi ist bereits beschlossen. Allerdings sieht es aus, als plane der Gescheiterte einen Neustart.

Der Largo del Nazareno in Rom ist einer dieser verwinkelten Plätze in der Altstadt von Rom , der Touristen das Herz aufgehen lässt. Hier hat der Partito Democratico (PD) seinen Sitz und für heute, 15 Uhr, eine Sitzung des Parteipräsidiums angesetzt. Die Republik und insbesondere Staatspräsident Sergio Mattarella warten gebannt auf die Entscheidungen, die in dieser barocken Nische getroffen werden.

Der PD bleibt auch während der Regierungskrise die stärkste Partei im italienischen Parlament. Sämtliche politischen Rechen- und Machtspielchen kreisen also um die Sozialdemokraten und um ihren Chef Matteo Renzi. Der Ministerpräsident hat nach der Niederlage beim Referendum über die Verfassungsreform den Rücktritt angekündigt, will aber allem Anschein nach den Parteivorsitz nicht aufgeben. Auf Drängen von Staatspräsident Mattarella bleibt der 41-jährige Premier noch im Amt, bis das wichtige Haushaltsgesetz verabschiedet ist. Geht alles glatt, könnte der Senat das Gesetz bereits heute verabschieden. Anschließend würde Renzi definitiv seinen Rücktritt einreichen.

Mattarellas Priorität ist die Ernennung eines neuen Premierministers, der aber die Stimmen der stärksten politischen Kraft im Parlament benötigt. Noch-Ministerpräsident Renzi hat offensichtlich andere Pläne. Aus seinem Umfeld verlautet, der Parteichef werde sich auf der heutigen Präsidiumssitzung für baldige Neuwahlen einsetzen und auch selber wieder antreten. Gibt ihm die Partei grünes Licht, könnte Staatspräsident Mattarella zur Auflösung der Parlamentskammern gezwungen sein. Die meisten im Parlament vertretenen Parteien setzen sich für Neuwahlen ein.

Renzis Entschluss, der gestern noch auf seine offizielle Bestätigung wartete, war offenbar bereits am Tag nach der Abstimmungsniederlage gereift. Nur 40,9 Prozent der Wähler hatten sich am Sonntag für Renzis Verfassungsreform ausgesprochen. Könnte dieser bei Neuwahlen aber ein ähnliches Ergebnis erzielen, wäre ihm der Wahlsieg sicher. Innenminister Angelino Alfano , dessen Splitterpartei Nuovo Centrodestra (NCD) mit dem PD koaliert und der den Premierminister am Montag zu einem Gespräch traf, bestätigte diesen Plan.

Gelingt diese Strategie, könnte sich Renzi des Makels seiner Regierung entledigen. Der 41-Jährige war im Februar 2014 vom Staatspräsidenten ernannt, aber nie durch eine Parlamentswahl legitimiert worden. Ob es aber tatsächlich soweit kommt, ist noch unklar. Zunächst müsste der Staatspräsident mit allen Versuchen scheitern, eine neue Regierung zu bilden.

Meinung:

Renzis Risiko

Von SZ-Korrespondent Julius Müller-Meiningen

Der König ist tot, lang lebe der König. Nach diesem Motto hören sich die waghalsigen Pläne von Noch-Ministerpräsident Matteo Renzi an. Die Finanzmärkte würden bei Neuwahlen das Risiko eines Sieges der EU-skeptischen 5-Sterne-Bewegung und ihres Megafons Beppe Grillo kalkulieren. Der stärkste Gegner dieser Option ist Staatspräsident Mattarella, der eine neue Regierung anstrebt, keine Neuwahlen . Das Vabanque-Spiel Renzis, jetzt alles zu riskieren, hat durchaus seine Berechtigung. Der Premier hat einen gravierenden Fehler begangen. Dennoch bleibt er eine der wenigen sinnvollen Optionen in Italien. Der große Verlierer könnte zum Sieger werden. Und vielleicht auch zum Retter der EU.

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