Kindergeldkürzung könnte an EU scheitern

Berlin · In der Bundesregierung wird über die geplante Kürzung des Kindergeldes für EU-Ausländer gestritten. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt auf Eis. Wie ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums gegenüber unserer Redaktion erklärte, wurde die Vorlage kurzfristig von der Tagesordnung der für morgen terminierten Sitzung des Bundeskabinetts genommen. Es gebe noch Abstimmungsbedarf. Ursache sind dem Vernehmen nach Bedenken der SPD im Blick auf EU-Recht.

 Schäubles Gesetzentwurf zum Kindergeld liegt auf Eis. Foto: Golinow/dpa

Schäubles Gesetzentwurf zum Kindergeld liegt auf Eis. Foto: Golinow/dpa

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Dabei hatte Parteichef Sigmar Gabriel den Bundesfinanzminister zu dem Gesetzentwurf ausdrücklich ermuntert. "Soll er es doch einfach mal versuchen", meinte Gabriel noch im Dezember an die Adresse von Wolfgang Schäuble (CDU). "Dann werden wir ja feststellen, ob er von der EU gestoppt wird." Nach geltendem EU-Recht haben EU-Ausländer, die in Deutschland arbeiten, auch dann Anspruch auf Kindergeld, wenn der Nachwuchs im Heimatland lebt. Diese Bestimmung liegt in der Logik der EU-Freizügigkeit. Die Betroffenen arbeiten in Deutschland und zahlen voll Steuern und Sozialbeiträge. Das begründet den Anspruch auf gleich hohe Auszahlungen, egal, wo das Kind lebt. Es geht also nicht um Sozialhilfeempfänger. Gabriel indes hatte über angeblichen Sozialtourismus geklagt und gefordert, das Kindergeld für betroffene EU-Ausländer künftig nur noch auf dem "Niveau des Heimatlandes" zu gewähren. Und so liest sich sinngemäß jetzt auch Schäubles Gesetzentwurf. Darin heißt es: "Die Höhe des ausgezahlten Kindergeldes steht oftmals in einem Missverhältnis zu den Lebenshaltungskosten, die für das Kind in dem Mitgliedstaat, in dem es wohnt, aufgewendet werden müssen." Daher werde das Kindergeld "an die Lebenshaltungskosten des Wohnsitzstaates angepasst". In Deutschland lebende Arbeiter aus Polen, Bulgaren oder Rumänien zum Beispiel bekämen demnach nur noch das halbe Kindergeld - 96 Euro statt 192 Euro im Monat. Für Beschäftigte aus Estland oder Portugal sinkt der Betrag um ein Viertel auf 144 Euro. Laut Gesetzentwurf würde eine solche Regelung jedoch nur zu einer Ersparnis von rund 160 Millionen Euro führen. Zum Vergleich: Die gesamten Sozialausgaben des Bundes in diesem Jahr belaufen sich auf fast 140 Milliarden Euro. So groß kann das Problem also nicht sein, wie es Gabriel noch im Dezember gemacht hatte. Und dass auch mal mehr Kindergeld gezahlt wird, weil es sich im Heimatland teurer lebt, ist nicht vorgesehen.

Dass man sich mit der Vorlage klar gegen EU-Recht stellt, ist den Verfassern durchaus bewusst. Deshalb findet sich im Text auch ein Vorbehalt: Die Änderungen würden erst in Kraft treten, "wenn die unionsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen sind". Doch dafür tendieren die Chancen derzeit gegen Null.

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