Grüne setzen auf Zuwanderung

Berlin · Die Öko-Partei entfacht die Debatte um ein Einwanderungsgesetz neu – schon mit Blick auf den Bundestagswahlkampf.

 Deutschland braucht Einwanderer, die Deutsch lernen und hier arbeiten wollen, sagen Experten mit Verweis auf den Fachkräftemangel. Um die Form eines Einwanderungsgesetzes streitet die Politik aber heftig. Foto: Schmidt/dpa

Deutschland braucht Einwanderer, die Deutsch lernen und hier arbeiten wollen, sagen Experten mit Verweis auf den Fachkräftemangel. Um die Form eines Einwanderungsgesetzes streitet die Politik aber heftig. Foto: Schmidt/dpa

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Aufenthaltserlaubnis schon zur Jobsuche, garantierter Familiennachzug, Wechsel vom Asylstatus zum eingewanderten Facharbeiter möglich: Mit den bisher weitgehendsten Vorschlägen wollen die Grünen die Debatte um ein Einwanderungsgesetz neu entfachen. Gestern präsentierten die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, und der Abgeordnete Volker Beck dazu in Berlin einen Gesetzentwurf. Aus dem Aufenthaltsgesetz wollen sie ein "Gesetz zur Förderung der Einwanderung und Integration von Ausländern" machen. Deutschland sei ein Einwanderungsland und brauche deswegen ein Einwanderungsgesetz, sagte Göring-Eckardt. Ziel der Grünen sei es, bestehende Regeln unbürokratischer zu machen, zu liberalisieren und zu vereinfachen, erklärte sie.

Kernstück des Vorschlags ist die sogenannte Talentkarte. Qualifizierte sollen damit nach Deutschland kommen dürfen. Selbst wenn sie dann noch keinen Job haben, ermöglicht der einjährige Status die Suche danach. Soziale Unterstützung gibt es für die Zeit aber keine. Findet der Karteninhaber nach einem Jahr keine Stelle, die seinen Lebensunterhalt sichert, darf er nicht bleiben. Hat er eine unbefristete Anstellung oder ist erfolgreich selbstständig, bekommt er einen Daueraufenthalt.

Wie viele Fachleute, mit welchen Qualifikationen und wie guten Deutschkenntnissen nach Deutschland kommen dürfen, soll nach den Plänen der Grünen die Bundesregierung auf Grundlage der Empfehlung einer neu einzurichtenden Kommission entscheiden. Göring-Eckardt und Beck wollten keine Größenordnung der jährlichen Zuwanderung nennen. Beck sagte allerdings, dass er das im SPD-Vorschlag für ein Einwanderungsgesetz genannte Limit von 25 000 im ersten Jahr für zu gering halte.

Immerhin darin sind sich die meisten Parteien und Experten einig: Deutschland braucht Einwanderer, weil die Bevölkerung altert und in einigen Berufen der Nachwuchs fehlt. Und um diesen Zuzug vernünftig zu regeln, braucht es eine Art Einwanderungsgesetz. Herzstück des SPD-Konzepts ist etwa ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild. Ausländische Bewerber bekommen Punkte nach Kriterien wie Qualifikation, Sprachkenntnisse, Alter und Integrationschancen. Wer die Mindestpunktzahl erreicht, kommt auf eine Warteliste. Liegt ein Jobangebot vor, rutscht er im Ranking automatisch nach oben. Auch die CDU will ein Einwanderungsgesetz, hat aber noch kein ausgearbeitetes Konzept.

Nicht alle Konzepte der Parteien passen zusammen - bis zur Bundestagswahl im September dürfte über Zuwanderung also munter gestritten werden. Dabei ist das Thema politisch heikel und wird oft mit Flüchtlings- und Asylpolitik vermischt. Dann lautet der Tenor: Es sind doch schon so viele Menschen nach Deutschland gekommen in letzter Zeit. Aber beim Einwanderungsgesetz geht es eben nicht um Schutzsuchende, sondern um Menschen aus Nicht-EU-Staaten, die zum Arbeiten kommen.

Die Grünen wollen diesbezüglich auch erlauben, dass die Familie der Fachkräfte von Anfang an auch ohne den Nachweis von Deutschkenntnissen mit nach Deutschland kommen darf. Zudem will die Öko-Partei die Einwanderung für Aus- und Weiterbildung vereinfachen. Die Einbürgerung soll nach ihren Plänen künftig bereits nach fünf statt bislang acht Jahren möglich sein und die Grünen wollen dabei den Doppelpass grundsätzlich erlauben. Auch wenn die Talentkarte dem SPD-Vorschlag zum Einwanderungsgesetz ähnelt, gehen die Grünen damit viel weiter. Dazu gehört auch der mögliche sogenannte Spurwechsel vom Asylstatus zum Aufenthalt zum Zweck der Arbeit, den das deutsche Recht bislang ausschließt.

Ihren Entwurf verstehen die Grünen als Beitrag in der Debatte um ein Einwanderungsgesetz, nicht als Koalitions-Fingerzeig. Für die im Sommer ablaufende Wahlperiode ist jedenfalls keine Entscheidung des Gesetzgebers darüber mehr zu erwarten.

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